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Kein Beleg für unmenschliche Behandlung in Algerien
Aus News-Clips vom 29.04.2019.
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Ausschaffung nach EGMR-Urteil Die Hürde für Terroristen soll nicht allzu hoch liegen

Geht es nach der öffentlichen Meinung, ist die Sache in vielen europäischen Ländern klar: Viele Bürgerinnen und Bürger sind der Meinung, dass ausländische Kriminelle abgeschoben werden sollen. Im Fall von Terroristen dürfte das vielerorts gar eine klare Mehrheit der Bevölkerung so sehen.

Doch rechtlich ist das nicht so einfach für die Mitgliedländer des Europarates, darunter die Schweiz. Sie haben sich auf die Europäische Menschenrechtskonvention verpflichtet.

Und deren Artikel drei verbietet Folter sowie unmenschliche und erniedrigende Behandlung. Das gilt nicht nur in den Mitgliedländern selber. Es verhindert auch, dass Verurteilte abgeschoben werden können in nichteuropäische Länder, wo ihnen eine solche Behandlung oder aber die Todesstrafe droht.

Keine unmenschliche Behandlung zu erwarten

Frankreich möchte den Algerier A.M. seit längerem loswerden. Der 34-Jährige wurde 2015 von einem Pariser Gericht zu sechs Jahren Haft verurteilt wegen der Beteiligung an den Vorbereitungen eines Terroranschlags. Gegen die Abschiebung nach Algerien wehrte sich A.M. aber hartnäckig, zuerst vor französischen Gerichten, dann auch vor dem Strassburger Menschenrechtsgerichtshof. Dieser verfügte in einem ersten Urteil eine Aufschiebung der Ausschaffung.

In der heute mündlich verkündeten Entscheidung gelangen die Strassburger Richter aber nun einstimmig zum Urteil, dass A.M. abgeschoben werden darf. Es sei ihm nicht gelungen, überzeugend nachzuweisen, dass ihm in Algerien eine unmenschliche Behandlung drohe.

NGOs zeichnen düstereres Bild

Menschenrechtsorganisationen zeichnen die Lage in Algerien allerdings weiterhin in düsteren Farben. Die Freiheitsrechte sind stark limitiert, die Rechtsstaatlichkeit ist eingeschränkt. Es wird weiterhin in manchen Fällen die Todesstrafe verhängt, allerdings seit Jahren nicht mehr vollstreckt.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte beschreibt aber in seiner Urteilsbegründung eine positive Entwicklung. Die Verfassungsreform von 2016 habe die Grundrechte gestärkt.

Das sogenannte Nachrichten- und Sicherheitsdepartement, das zuvor als Folterbehörde galt, sei aufgelöst worden. Seither vernehme man keine Foltervorwürfe mehr, auch nicht im Zusammenhang mit Terroristen.

Kein Strafbefehl in der Heimat

Zudem hätten mehrere europäische Gerichte in den vergangenen Jahren nach gründlichen eigenen Recherchen ebenfalls festgestellt, dass Abschiebungen nach Algerien zulässig seien. Hinzu komme, dass in Algerien gegen A.M. kein Strafbefehl existiere und auch kein Justizverfahren laufe. Und das, obschon er dort der dschihadistischen Organisation Annaba angehörte. Doch diese wurde inzwischen aufgelöst.

Algerien nur der Anfang?

Frankreich kann nun also den Terroristen A.M. abschieben. Das Urteil macht deutlich, dass die Strassburger Richter die Hürde für die Rückschaffung von Terroristen nicht allzu hoch legen wollen.

Denn wenn Abschiebungen nach Algerien möglich sind, dann heisst das zwar noch nicht, dass sie beispielsweise auch nach Syrien oder Nordkorea möglich wären. Aber doch in sehr viele andere Länder mit beflecktem Leumund in Sachen Menschenrechte. Eine gründliche Einzelfallprüfung bleibt zwar erforderlich. Aber je nach deren Ausgang kann die Abschiebung künftig durchaus erfolgen.

Fredy Gsteiger

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Sendebezug: SRF 4 News, 11.00 Uhr

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