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Ausschluss aus F-35-Programm «Was die F-35 angeht, ist wohl nichts mehr zu retten»

Weil die Türkei trotz scharfer Kritik seitens der USA ein russisches Raketenabwehrsystem gekauft hat, wurde sie nun aus dem gemeinsamen Kampfjet-Programm F-35 ausgeschlossen. Warum hat der türkische Präsident alle Warnungen in den Wind geschlagen? Weil Russland der bessere Handelspartner sei, schildert Thomas Seibert.

Thomas Seibert

Journalist in der Türkei

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Thomas Seibert verdiente sich seine journalistischen Sporen bei der «New York Times» und den Nachrichtenagenturen Reuters und AFP, bevor er 1997 als freier Journalist in die Türkei ging. Nach einem kurzen Zwischenhalt als Berichterstatter in den USA kehrte er im Juni 2018 nach Istanbul zurück.

SRF News: Was gibt es für Reaktionen aus Ankara?

Thomas Seibert: Von Regierungsseite gibt es bisher keine offiziellen weiteren Reaktionen. In den sozialen Medien wird der Fall heftig diskutiert. Für gehörigen Ärger sorgt die Tatsache, dass ein Teil der Flugzeuge, die eigentlich an die Türkei gehen sollten, nun ausgerechnet an den regionalen Rivalen Griechenland geliefert werden sollen.

Was bedeutet es für die Türkei, dass sie nun nicht mehr bei diesem Kampfjet-Programm dabei ist?

Zum einen dürften die Spannungen zwischen den USA und der Türkei in Syrien weiter eskalieren. Die Türkei droht damit, in den Teil Syriens einzumarschieren, in dem US-Soldaten stationiert sind. Andererseits will die Türkei ungefähr eine Milliarde Dollar von den USA zurückfordern – das Geld, das sie in das Projekt des F-35 investiert hat. Präsident Recep Tayyip Erdogan hat schon verkündet, wenn sich die USA weigern sollten, das Geld zurückzuzahlen, komme das Strassenraub gleich.

Die Türkei hielt trotz Kritik der USA am Kauf des russischen Raketenabwehrsystems fest. Musste sie nicht damit rechnen, dass das Folgen hat?

Viele Politiker und Experten haben die Regierung in Ankara davor gewarnt. Ein Grund, weshalb Erdogan diese Warnungen in den Wind geschlagen hat, war seine Überzeugung, dass er sich auf ein Versprechen von US-Präsident Donald Trump verlassen könne. Laut Erdogan hat Trump ihm zugesagt, es werde wegen dieses Kaufs keine Sanktionen gegen die Türkei geben.

Die Türkei muss nun auch mit Wirtschafssanktionen der USA rechnen.

Die amerikanische Regierung hat allerdings immer wieder erklärt: Egal, was Trump in bilateralen Gesprächen zugesagt hat, es bleibe dabei, dass die Türkei aus dem F-35-Programm hinausgeworfen werden würde. Nun muss die Türkei auch mit Wirtschaftssanktionen der USA rechnen.

Warum beharrt die Türkei so fest auf diesem Raketenabwehrsystem aus Russland?

Mit Nachbarn wie Syrien, Iran oder Irak ist der Bedarf der Türkei an einem solchen System unbestritten. Die türkische Position lautet, man habe sich auch um das amerikanische System «Patriot» bemüht, aber das sei zu teuer gewesen.

Ausserdem lehnten die USA einen Technologie-Transfer an die Türkei ab. Die Russen haben damit kein Problem; sie liefern auch die Technologie mit, was der Türkei erlaubt, die eigene Rüstungsindustrie weiter aufzubauen. Das Nachfolgemodell S-500 soll nun sogar von Russland und der Türkei gemeinsam entwickelt werden.

Wie geht es nun weiter?

Es wird eine hitzige Auseinandersetzung geben. Dahinter steckt die breitere Diskussion im Westen darüber, ob sich die Türkei weiter von ihren traditionellen Partnern in Europa und Amerika ab- und Russland zuwendet. Dieser Trend wird weitergehen. Eine Möglichkeit ist etwa, dass die Türkei in Russland moderne Kampfjets kaufen wird. Das wird den Riss zwischen der Türkei und dem Rest der Nato weiter vertiefen.

Wir gehen turbulenten Zeiten entgegen, was das türkisch-amerikanische Verhältnis angeht.

Was die F-35 angeht, ist wohl nichts mehr zu retten. Beide Seiten werden jetzt versuchen, auf anderen Gebieten möglichst eng zusammenzuarbeiten. Die grundverschiedenen Interessen von der Türkei und der USA etwa in Syrien werden das sehr schwierig machen. Wir gehen turbulenten Zeiten entgegen, was das türkisch-amerikanische Verhältnis angeht.

Das Gespräch führte Roger Aebli.

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