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Autobombe in Moskau «Ein Plot des Geheimdienstes FSB ist eher wahrscheinlich»

Am Samstag wurde Darja Dugina bei einem Anschlag in Moskau getötet. Sie war die Tochter des Putin-nahen Ideologen Alexander Dugin und selbst flammende Unterstützerin des Angriffskrieges auf die Ukraine. Der Kreml machte die Ukraine dafür verantwortlich, doch diese wies dies zurück. Darauf hat sich der ehemalige russische Parlamentarier und Putin-Gegner Ilja Ponomarjow via Youtube zu Wort gemeldet. Er wisse, wer dahinter stecke: die Nationale Republikanische Armee, eine russische Gruppe. Ob das stimmt? Russland-Experte Stefan Meister ist skeptisch.

Stefan Meister

Politologe

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Stefan Meister ist Leiter des Zentrums für Ordnung und Governance in Osteuropa, Russland und Zentralasien bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Er spricht Deutsch, Russisch, Englisch und Polnisch.

SRF News: Eine Partisanengruppe auf russischem Territorium habe die Bombe in Dugins Auto gezündet – ist das glaubwürdig?

Stefan Meister: Ich bin sehr skeptisch, ob diese Gruppe überhaupt existiert. Ich habe noch nie von dieser Gruppe gehört. Es gibt dazu keine Informationen und von so einer Ankündigung eines ehemaligen Abgeordneten, den ich auch persönlich kenne, jetzt zu schliessen, dass diese Gruppe wirklich existiert und dass das so geschehen ist, da wäre ich zunächst einmal sehr vorsichtig, das als authentisch zu sehen.

Wieso würde Ponomarjow diese These vertreten, wenn diese vielleicht gar nicht stimmt?

Um Aufmerksamkeit zu bekommen. Um dem Regime zu zeigen, dass es Gruppen oder Personen gibt, die mit der Politik des Kremls nicht einverstanden sind. Dafür, was man selber nicht hinbekommt, nämlich Kritik an Putin zu äussern und das Regime unter Druck zu setzen.

Ponomarjow vor dem Zaun der russischen Botschaft in Kiew.
Legende: Der frühere Duma-Abgeordnete Ilja Ponomarjow lebt seit 2014 in Kiew. Aus Protest hat er am 12. Juni vor der russischen Botschaft in Kiew seinen russischen Pass verbrannt. Imago/Pavlo Bagmut

Russland macht die Ukraine für den Anschlag verantwortlich. Wie schätzen Sie diese Anschuldigung ein?

Scheinbar hat der russische Geheimdienst FSB angekündigt, dass er die Person identifiziert hat, die diesen Anschlag verübt haben soll. Es soll eine Ukrainerin gewesen sein, die mit ihrer Tochter ein- und dann über Estland wieder ausgereist ist. Für mich ist es fast eher wahrscheinlich, dass es ein Plot des FSB ist, um die Ukraine zu beschuldigen, und um dann möglicherweise noch härter gegen Regimekritiker vorzugehen.

Warum soll die Ukraine ausgerechnet Dugin umbringen wollen, der nun wirklich nicht so wichtig ist?

Ich würde es zwar nicht ausschliessen, dass die Ukraine so einen Anschlag verübt. Das ist sicher möglich. Aber warum soll sie ausgerechnet Dugin umbringen wollen, der nun wirklich nicht so wichtig ist? Oder seine Tochter? Für mich ist es doch relativ unwahrscheinlich, dass die Ukraine ausgerechnet Dugin oder seine Tochter umbringen will.

Es gab allerdings in letzter Zeit Sabotageakte in Russland, etwa bei der Eisenbahn oder in Rekrutierungszentren. Könnte das, was passiert ist, vielleicht doch der Anfang eines Partisanenkampfs sein?

Wir wissen natürlich auch dort nicht, wer das war und ob das vielleicht auch unterschiedliche Täter waren. Es kann zwar sein, dass es bei der Infrastruktur die Ukraine war, aber bei den Rekrutierungszentren könnten das vielleicht auch lokale Personen gewesen sein und bei dem Fall in Moskau vielleicht wieder jemand anderes. Es ist möglich, dass es irgendwelche Gruppen gibt, aber der russische Sicherheitsapparat ist dermassen ausgebaut, es wird so viel kontrolliert in Russland.

Das Regime wird das eher nutzen, um noch härter gegen Gegner vorzugehen.

Sicher kann man da als Gruppe durchschlüpfen, Schläferzellen und dergleichen bilden, aber ich bin mir nicht so sicher, wie viel Durchschlagskraft so etwas hat und warum man dann ausgerechnet Dugin oder seine Tochter umbringen will. Ich glaube auch nicht, dass dies das Regime in irgendeiner Form unter Druck bringt, sondern das Regime wird es eher nutzen, um noch härter gegen Gegner vorzugehen.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

Echo der Zeit, 22.08.2022, 18:00 Uhr ; 

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