«Meine Klienten waren Leute aus der Elite: Sportler, Polizisten, Politiker. Niemand kümmerte sich darum, weshalb es bei mir Uhren und Kleider zum halben Preis gab.» Olivera Ćirković machte gutes Geld mit Diebesgut aus Überfällen der Pink Panther: «In Serbien war dies damals fast legal: Mein Geschäft war registriert als Handelsfirma.»
Ein Basketball-Profi stürzt ab
2006 klickten in Athen die Handschellen: Olivera Ćirković wurde wegen mindestens zwei Überfällen auf griechische Juweliergeschäfte verurteilt und verbüsste ihre Strafe in Griechenland. Anfang 2012 geriet sie erneut in Haft. Mit Hilfe eines schwer bewaffneten Komplizen gelang ihr allerdings ein paar Monate später die Flucht aus dem Athener Hochsicherheitsgefängnis Korydallos.
Die Geschichte eines jähen Falls: Olivera Ćirković, heute 49, spielte einst begnadet Basketball, gewann 1988 mit der jugoslawischen U18-Nationalmannschaft EM-Bronze und übernahm schliesslich einen Managerposten beim serbischen Top-Verein Crvena Zvezda (Roter Stern Belgrad). Dort lernte sie ihren Ex-Mann kennen – und geriet immer tiefer in die kriminellen Strukturen der Belgrader Halbwelt.
Ein ganzes System wird kriminell
SRF News trifft Olivera Ćirković in unserem Belgrader Büro. Sie hat über ihre Zeit als Pink Panther ein Buch geschrieben. Auf den Markt kam es Anfang 2018 und wurde bereits 12'000 Mal verkauft: «Ich teile meine Geschichte, damit die Leute sehen, wie falsch mein Weg war. Ich hatte eine gute Ausgangslage und entschied mich für den falschen Weg.» Sie hat den Ausstieg geschafft, bewegt sich aber nach wie vor vorsichtig in der Öffentlichkeit.
Olivera Ćirkovićs Laufbahn als Pink Panter begann in den 1990er Jahren: Es war die Zeit der Jugoslawien-Kriege. Der Staat, das ganze System schien befallen von krimineller Energie: Zuerst hinterging der starke Mann Serbiens, Slobodan Milošević, die jugoslawische Regierung und beschaffte Hunderte von Millionen auf dem internationalen Kapitalmarkt. Später verschwammen die Grenzen zwischen Sicherheitskräften und Verbrecherbanden zusehends. Ein Phänomen in den meisten Teilrepubliken des zerfallenden Landes.
Florierendes Hehler-Geschäft
So rekrutierten die Anführer paramilitärischer Gruppen auf allen Seiten ihre Mitglieder unter Sträflingen und Fussball-Hooligans. Besonders berüchtigt war das Umfeld des Belgrader Sportclubs Crvena Zvezda (Roter Stern Belgrad). Damals war das der Arbeitsplatz von Basketball-Managerin Olivera Ćirković. Nach ihrer Karriere als Sportlerin wollte sie mehr vom Kuchen: «Die Leute um mich herum hatten gestohlene Ware, die ich für ein Drittel des Preises kaufen konnte.»
So baute sie mit der Pink Panther-Beute ein florierendes Hehler-Geschäft auf und gehörte als eine der wenigen Frauen bald zum inneren Kreis ihres Belgrader Netzwerkes. Eine eigentliche Struktur gäbe es aber nicht, behauptet Olivera Ćirković: «Die französische Polizei kreierte den Begriff, um gegen uns wegen organisierter Kriminalität zu ermitteln. So können die Überfälle härter bestraft werden.»
Die Legende von «Robin Hood»
In Wirklichkeit gäbe es bloss lose Gruppen, die sich untereinander kennen – aus allen Gebieten des ehemaligen Jugoslawiens. Olivera Ćirković benutzt im Gespräch immer wieder die Sport-Metaphorik, wohl auch, um die Vergangenheit zu relativieren: «Man kennt sich untereinander – wie Sportler, man spielt gegeneinander und hört dann von guten ‹Spielern›.» Eine Art Transfermarkt für Gangster also, die sich bei Überfällen besonders bewährt haben.
Obschon sie selbst mit ihrer kriminellen Vergangenheit abgeschlossen hat, pflegt Olivera Ćirković die Legende vom Gewaltverzicht der Pink Panther: «Es ist mehr die Idee eines Tricks im Stil von ‹Robin Hood› – ohne Gewalt.» Präzision und Geschwindigkeit der Überfälle seien der Grund für den Mythos: «Du leerst den Laden mit Waren im Wert von Millionen in 40 Sekunden. Es ist wie im Märchen.»
Zweite Generation Pink Panther
Lulzana Musliu, Sprecherin des Bundesamtes für Polizei (Fedpol) in Bern, hält dem Mythos Fakten entgegen: «Die Täter haben immer eine Waffe dabei und bedrohen damit das Personal. Sie sind bereit Gewalt anzuwenden, wenn sich das Personal nicht so verhält, wie sie es wollen.» In den letzten Jahren sei eine Deliktsumme von 400 Millionen Franken zusammengekommen.
Weil die Pink Panther ihre Überfälle stets im Ausland verüben, arbeiten die Polizeibehörden international zusammen. Insbesondere auch zwischen Serbien und der Schweiz. Laut Musliu wachse eine zweite Generation aus dem kleinkriminellen Milieu heran, die nun die Pink Panther-Methode anwende. Diese Tätergruppe wendet offenbar tendenziell mehr Gewalt an als die erste Generation.
Der Weg vom Mythos in die Wirklichkeit
Der Mythos der Pink Panther stammt aus der Zeit, als das ehemalige Jugoslawien in die Krallen Krimineller geriet. Als aus Chauvinismus Krieg wurde. Mythen dieser Art prägen das Balkan-Bild bis heute – auch in der Schweiz. Sie versperren den Blick auf eine Gesellschaft, die trotz widrigster Umstände Würde und Anstand bewahrt hat.
Nach Jahren des schnellen Lebens hat Olivera Ćirković genau gegen diese falschen Mythen zu kämpfen – auch mit sich selbst: «Ich denke, ich habe den richtigen Weg eingeschlagen, einen Weg der mir unbekannt ist. Es ist mein härtester Kampf bisher in meinem Leben.»