Zum Inhalt springen

Header

Audio
Saudi-Arabien und die Atmokraftwerk-Pläne
Aus SRF 4 News aktuell vom 15.03.2018.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 16 Sekunden.
Inhalt

Bau von Atomkraftwerken «Es geht um Geo-Politik»

Der Atomausstieg ist in vielen Länder Europas beschlossene Sache. In anderen Gegenden der Welt scheint jedoch das Gegenteil im Gange zu sein. Saudi-Arabien hat angekündigt, mit 16 Reaktoren, die in den nächsten 20 Jahren gebaut werden sollen, in die Atomenergie einsteigen zu wollen.

Und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron und der indische Regierungschef Narendra Modi haben vereinbart, dass Frankreich Indien ein Atomkraftwerk verkauft. Allerdings gehe es bei den Ankündigungen nicht primär um den Strom, sagt der atomkritische Nuklearexperte Mycle Schneider.

Mycle Schneider

Mycle Schneider

Analyst der internationalen Atompolitik

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Schneider ist ein atomkritischer Energieberater. Ursprünglich aus Deutschland, lebt er heute in Frankreich und berät neben diversen Regierungen auch Kommissionen. 1997 wurde er mit dem «Right Livelihood Award», einer Art alternativem Nobelpreis, ausgezeichnet.

SRF News: Stehen wir vor einem Revival der Atomenergie?

Mycle Schneider: Von einem Revival ist nicht viel zu sehen. Wenn man sich die Indikatoren anschaut, dann ist der meiste Atomstrom 2006 produziert worden.

Schon im Juni 2011 kündigte Saudi-Arabien 16 neue Atomreaktoren an.

Die meisten Atomkraftwerke waren 2002 in Betrieb und der Anteil der Atomenergie im globalen Strommix erreichte schon 1996 das Maximum. Anders ausgedrückt: Alle Indikatoren zeigen eine abnehmende Tendenz.

Trotzdem hat Saudi-Arabien angekündigt, 16 Atomreaktoren bauen zu wollen. Warum?

Es ist nicht das erste Mal, dass diese 16 Reaktoren angekündigt wurden. Es wurden schon im Juni 2011 16 Reaktoren von Saudi-Arabien angekündigt. Zwischen Ankündigung und Realität ist jedoch ein grosser Unterschied. Das haben wir auch immer wieder dokumentieren können. Die Planung oder die Wünsche, die geäussert werden, haben nicht notwendigerweise etwas mit der Realität zu tun.

Was ist mit dem Atomkraftwerk, das der französische Präsident Macron an Indien verkaufen will? Es soll das grösste Atomkraftwerk der Welt werden.

Ja, das ist eine ganz ähnliche Geschichte. Hier sind allerdings sehr wenig Fortschritte gemacht worden. Es handelt sich bei solchen Verlautbarungen oft nur um Rahmenabkommen und nicht um kommerzielle Verträge.

Atomkraft braucht unglaublich lange Vorlaufzeit.

Einer der wesentlichen Punkte, warum die Atomenergie heute nicht mehr konkurrenzfähig ist, ist der Zeitfaktor. Die Atomkraft braucht unglaublich lange Vorlaufzeit. Zwischen der Entscheidung eines Landes, das bisher keine Atomkraft nutzte, und der Inbetriebnahme eines Werks besteht eine Vorlaufzeit von 15 Jahren. Es ist nicht nur eine Frage der Kosten, obwohl Atomenergie auch kostenmässig nicht mehr konkurrenzfähig ist.

Der Eindruck, dass die Länder allmählich aus der Atomenergie aussteigen oder den Anteil der Atomenergie senken, der stimmt trotzdem?

Absolut. Man kann es auf einen ganz einfachen Nenner bringen: Unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten lässt sich heute kein neues Atomkraftwerk mehr bauen. Wenn trotzdem Pläne entstehen oder sogar Reaktoren in Bau gehen, dann hat das nichts mit Energiepolitik zu tun, sondern mit anderen Gründen. Über die kann man diskutieren, darüber sollte man auch diskutieren. Aber man sollte nicht so tun, als stünde die energiepolitische Planung im Vordergrund.

Warum werden heute noch Atomkraftwerke geplant oder gebaut?

Verschiedene Länder tun dies auf militärischem Hintergrund. Dort kommt die Atomkraft historisch gesehen auch her. Man kann gar nicht mehr auseinanderdividieren, welches die entscheidenden Punkte sind. Der Strom-Erzeugungsgedanke ist sicherlich nicht entscheidend. Es sind Prestigegründe und Package-Deals. Wenn – als Beispiel – Russland der Türkei ein Atomkraftwerk verkaufen will, dann ist in dem Verhandlungspaket vielleicht auch die regionale Sicherheitspolitik drin, oder es ist ein langzeitiger Erdgashandel.

Nehmen wir Saudi-Arabien als Beispiel. Dort ist nachgewiesen, dass im Nachbarland, in den Vereinigten Arabischen Emiraten, der zurzeit günstigste Solarstrom angeboten wird. Er kostet unter 20 Dollar pro Megawattstunde. Das muss man mit den über 120 Euro pro Megawattstunde aus atomarer Produktion vergleichen. Es geht bei dem Projekt in Saudi-Arabien um etwas ganz Anderes, nämlich um Geopolitik.

Heisst das, es werden auch künftig Atomkraftwerke gebaut, aber immer weniger und nicht aus Gründen der Stromgewinnung?

Es gibt andere Beweggründe, diese Technologie weiter zu betreiben, auch starke Lobbying-Interessen. Aber sie ist nicht mehr konkurrenzfähig.

China ist zurzeit das einzige Land, das wirklich massiv baut. Auch dort hat sich eine Wende bereits vollzogen. Im Jahr 2017 sind dort drei Reaktoren in Betrieb gegangen. Das macht in China zusätzlich etwa 2'000 Megawatt aus, während im selben Jahr 52'000 Megawatt allein an zusätzlichen Solarkapazitäten ans Netz gegangen sind. Das heisst man sieht auch in diesem Ausnahmeland, was Atomkraft betrifft, ist die Wende bereits vollzogen.

Das Gespräch führte Markus Föhn.

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel