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Bidens Kritik an Israel «Da schimmert amerikanische Innenpolitik durch»

Demonstrativ und in betont freundschaftlicher Verbundenheit haben sich die USA nach dem Angriff der Hamas an Israels Seite gestellt. Nun aber tun sich Gräben auf: US-Präsident Joe Biden wirft Israel wahllose Bombardierungen im Gazastreifen vor – es sind die bisher schärfsten Töne an die Adresse von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Israel hingegen betont, man werde den Krieg fortsetzen, bis zum absoluten Sieg. Markus Kaim, Sicherheitsexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, schätzt das Verhältnis zwischen den USA und Israel ein.

Markus Kaim

Experte für Sicherheitspolitik

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Markus Kaim ist Experte für Sicherheitspolitik und Aussenpolitik bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP) und doziert an der Universität Zürich.

SRF News: Wenn Sie die aktuelle Beziehung Biden – Netanjahu in einem Stichwort beschreiben müssten, was würden Sie sagen?

Markus Kaim: Vielleicht angespannt oder vielleicht, was die politische Situation besser erfasst: von innenpolitischen Rahmenbedingungen bestimmt. Die amerikanische Position hat sich in den letzten zwei, zweieinhalb Monaten enorm entwickelt. Nach dem 7. Oktober war nur von Solidarität mit Israel und vom Recht auf Selbstverteidigung die Rede. Das ist sehr zügig ergänzt worden mit der Betonung, dass die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen geschützt werden müsse, dass der Krieg nicht ewig dauern dürfe und dass man einer politischen Initiative Platz machen müsse.

Netanjahu zeigt sich für die amerikanischen Anliegen doch sehr sperrig und unzugänglich.

Da schimmert auch ein bisschen amerikanische Innenpolitik durch, denn der Konflikt im Gazastreifen belastet Bidens Wiederwahlbemühungen. Es gibt eine Reihe von amerikanischen Organisationen, etwa von amerikanischen Muslimen und arabischstämmigen Amerikanern, die sich von ihm distanziert haben. Mit den Bemühungen, der palästinensischen Sache stärker Gehör zu verschaffen, trägt Biden dem Rechnung.                

Biden: Israel soll vorsichtiger sein

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Israel bekommt von den USA zunehmend Druck, im Gazastreifen mehr Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu nehmen, schwört seinen Verbündeten aber zugleich auf einen noch sehr langen Krieg ein. US-Präsident Joe Biden sagte am Donnerstag an die Adresse Israels: «Ich möchte, dass sie sich darauf konzentrieren, wie sie das Leben von Zivilisten retten können. Sie sollen nicht aufhören, die Hamas zu verfolgen, sondern vorsichtiger sein». Bei einem Treffen mit dem Nationalen Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, in Tel Aviv machte Israels Verteidigungsminister Joav Galant gleichwohl klar, der Krieg werde noch «mehr als ein paar Monate» dauern – bis die islamistische Hamas komplett zerstört sei.

Biden mahnt ja schon länger, Israel solle mehr Rücksicht auf die Zivilbevölkerung im Gazastreifen nehmen. Ist er jetzt vom Mahner zum Warner geworden?             

Biden denkt über das Ende des Krieges hinaus und stellt die Frage, die auch viele andere westliche Beobachter dem israelischen Ministerpräsidenten stellen, jetzt etwas lauter: Was ist die israelische Ordnungsvorstellung für den Tag nach dem Ende des Krieges? Wann auch immer und in welcher Form auch immer der Krieg beendet sein wird. Und da bleibt die israelische Regierung doch vergleichsweise still und hat wenig anzubieten.

Alles ist auf die Militäroperation konzentriert. Das erschwert natürlich den Amerikanern als wichtigstem Akteur, der nicht zur Region gehört, eine politische Initiative. Es ist nicht nur ein humanitäres Anliegen, sondern ein strategisch-politisches Anliegen gleichermassen, was die USA vortragen. Netanjahu zeigt sich für die amerikanischen Anliegen doch sehr sperrig und unzugänglich. Das erklärt auch den in den letzten Tagen etwas schärfer gewordenen Ton.

Biden bewegt sich ganz vorsichtig auf die Seite der Kritiker Israels zu.

Wenn Biden von wahllosen Bombardierungen spricht, heisst das, er verdächtigt Israel, das internationale Völkerrecht zu verletzen?

Ob er das konkret tut, kann ich nicht beurteilen. Das hat er explizit nicht angedeutet. Aber er bewegt sich doch ganz vorsichtig auf die Seite der Kritiker Israels zu. Er muss innenpolitisch Rücksicht nehmen auf die sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen. Früher war es so, dass die amerikanischen Juden ganz eindeutig ausschliesslich das Anliegen Israels unterstützt haben. Mittlerweile gibt es eine jüngere Generation von amerikanischen Juden, die sich von Israel distanzieren und die sich auch von der amerikanischen Israel-Politik distanzieren.

Das Gespräch führte Brigitte Kramer.

Echo der Zeit, 15.12.23, 18 Uhr ; 

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