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Brandrodungen im Amazonas «Es werden Fakten geschaffen und der Wald ist dann nicht mehr da»

Im Amazonas in Brasilien wüten derzeit so viele Brände wie noch nie. Viele der Feuer werden von organisierten Banden gelegt. Sie wollen so den Wald roden, um wertvolle Flächen zu schaffen, die sie illegal verkaufen können. Die ARD-Korrespondentin Anne Herrberg beschreibt, wie dies vor sich geht.

Anne Herrberg

Südamerika-Korrespondentin

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Anne Herrberg arbeitet im ARD-Studio in Rio de Janeiro. Sie berichtet von dort aus über Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Ecuador, Kolumbien, Peru, Paraguay und Uruguay.

SRF News: Wie sehen die absichtlich gelegten Brände aus?

Anne Herrberg: Es ist nicht eine riesengrosse Fläche mit einem grossen Brand, sondern es sind verschiedene kleinere oder grössere Brandherde. Man muss wissen, dass es eine Tradition gibt, bereits abgeholzte Flächen mithilfe des Feuers vom Unterholz befreien. Das ist eine normale Praxis am Amazonas, die Landwirte immer in der Trockenzeit anwenden.

Der Amazonas ist ein Gebiet, in dem die Gesetze vom Stärkeren gemacht werden, oder von Machete und Streichholz.

Daneben gibt es aber noch die anderen Feuer, die in noch stehendem Wald gelegt werden, mit der Absicht, unberührten Regenwald abzubrennen. Bei diesen Bränden geht es nicht nur um Unterholz, sondern um grosse Bäume, um richtigen Wald.

Hinter den von Ihnen erwähnten Bränden stecken organisierte Banden. Wie funktioniert das genau?

Man hat den Eindruck, der Amazonas sei ein riesiger, unberührter Wald. Aber dieser Wald gehört Menschen. Es gibt in diesem Wald Land in Privatbesitz, Land in Staatsbesitz, und es gibt verschiedene ausgewiesene Schutzgebiete. Der Amazonas ist ein Gebiet, in dem die Gesetze eher vom Stärkeren gemacht werden, oder von Machete und Streichholz. Es passiert oft, dass Leute in undefiniertes Staatsland eindringen und dieses Land als ihr Land nehmen. Das ist Landraub. Das ist der Treiber für die Waldzerstörung derzeit am Amazonas.

Ein riesiges Stück Wald von oben, das brennt
Legende: Oft haben Landräuber im Amazonas gar eine Interessenvertretung in der Politik. Reuters/Bruno Kelly/File Photo

Sie sprechen von organisierten Banden. Wie muss man sich das vorstellen?

Gerade im Süden der Amazonasregion, wo die Agrargrenze verläuft, sind es oft kleinere Gruppen, die sich organisieren, gemeinsam agieren, auch teilweise dieses Land über Onlineplattformen verkaufen. Dass das funktioniert, dass sie da nicht rausgeschmissen werden, geht nur, wenn sie das in Zusammenarbeit mit mächtigen Personen machen. Oft wird mit diesem Landraub mittlerweile so viel Geld umgesetzt, dass dieses illegale Geld wieder zurückfliesst, beispielsweise in politische Kampagnen. Dann sitzen Politiker an bestimmten Posten, die selbst die Interessen dieser Gruppen vertreten.

Es gibt also Verstrickungen zwischen der Politik und den kriminellen Machenschaften im Amazonas?

Auf jeden Fall. Ein Beispiel: Im Bundesstaat Rondonia gab es ein Schutzgebiet, das eigentlich für traditionelle Kautschukpflanzer vorgesehen ist. In dieses Gebiet sind immer mehr Siedler eingedrungen, um die Bäume abzuholzen und Rinder daraufzustellen, weil man damit mehr Geld verdienen kann. Nun müssten Bundespolizei und Umweltschutzbehörde kommen und die illegalen Siedler wegschicken. Aber genau das passiert nicht. Vielmehr hat die Regierung des Bundesstaates das staatlich ausgeschriebene Schutzgebiet um eine riesengrosse Fläche reduziert.

Während man wartet, ob sich eine höhere Ebene einschaltet, werden Fakten geschaffen.

Es zeigte sich, dass der Abgeordnete, der hinter diesem Gesetzesvorschlag stand, selbst in die Machenschaften von Landräuber-Organisationen eingebunden war. Später ist das Verfassungsgericht eingeschritten und hat das Gesetz für ungültig erklärt. Doch passiert ist nichts. Während man wartet, ob sich eine höhere Ebene einschaltet, werden Fakten geschaffen und der Wald ist schlicht nicht mehr da.

Das Gespräch führte Nicolas Malzacher.

SRF 4 News, 16.09.2022, 06:23 Uhr ; 

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