- In einem «Brief an die Nation» hat Theresa May bei ihren Landsleuten um Unterstützung für das Brexit-Abkommen mit der EU geworben.
- Beobachter werten Mays Schritt als Versuch, öffentlichen Druck auf das Parlament in London auszuüben, in dem es offenbar noch keine Mehrheit für das Abkommen gibt.
- Die nordirische DUP, auf deren Stimmen Theresa May im Parlament angewiesen ist, droht mit dem Ende der Zusammenarbeit, sollte sich das vorliegende Abkommen im Parlament in London durchsetzen.
Mit einer neuen Strategie will die britische Premierministerin Theresa May offenbar Druck auf das Parlament in London ausüben, um in der Volksvertretung doch noch eine Mehrheit für das Brexit-Abkommen zu erzielen.
«Erneuerung und Versöhnung»
Angesichts der grossen Vorbehalte in ihrem Land gegen das Abkommen mit der EU wendet sich May jetzt in einem Schreiben direkt an die Öffentlichkeit. In dem heute veröffentlichten «Brief an die Nation» bittet sie ihre Landsleute den Brexit-Deal zu unterstützen. Denn «ein neues Kapitel in unserem nationalen Leben beginnt».
Nach dem EU-Austritt Ende März 2019 werde es zunächst einen Moment der «Erneuerung und Versöhnung» für das ganze Land geben, schreibt May. Befürworter und Gegner der Loslösung von der EU müssten wieder ein Volk werden. Grossbritannien bekomme durch den Brexit die Kontrolle über sein Geld, die Gesetze und die Grenzen zurück.
«Abkommen liegt in unserem Interesse»
Der Brexit-Vertrag werde, so May weiter, «ein Abkommen sein, das in unserem nationalen Interesse liegt, eines, das für das ganze Land und alle seine Bürger funktionieren wird».
Die Briten sollten mit dem Ausscheiden aus der Europäischen Union im kommenden Jahr eine neue Ära der Einigkeit eröffnen und den bitteren Streit der Brexit-Debatten hinter sich lassen.
Andere Themen in den Fokus rücken
Es sei wichtig, so May weiter, sich nun wieder auf wichtige Themen zu konzentrieren wie etwa die Wirtschaft des Landes und den staatlichen Gesundheitsdienst NHS, der als marode und überlastet gilt.
Der Brief gehört nach Einschätzung britischer Medien vermutlich zu einer neuen Strategie: May wendet sich seit einigen Tagen vermehrt an die Öffentlichkeit und an die Wirtschaft. Auf diese Weise, so die Spekulationen, wolle sie den Druck auf das Parlament in London erhöhen, das das Abkommen noch absegnen muss.
Nordirische DUP verschärft Tonlage
Neben der Opposition haben auch viele Brexit-Hardliner der Konservativen Partei und die nordirische DUP – von der Mays Minderheitsregierung abhängt – angekündigt, gegen den Deal zu stimmen. Die Abstimmung ist für die erste Dezemberhälfte geplant.
DUP-Chefin Arlene Forster verschärfte am Samstag in verschiedenen Stellungnahmen nochmals ihren Ton gegenüber der Premierministerin. Gegenüber der BBC drohte Forster sogar mit einem Ende der Zusammenarbeit mit May, sollte sich das vorliegende Abkommen im Parlament in London durchsetzen. Die DUP lehnt die im Austrittsvertrag angelegte Sonderbehandlung des britischen Landesteils Nordirland ab und wirft der Premierministerin vor, schlecht verhandelt zu haben.
Heute Sonntag soll zunächst ein EU-Sondergipfel den Austrittsvertrag billigen. Staats- und Regierungschef aller Staaten der Europäischen Union werden dazu in Brüssel erwartet.