Seit Mittwoch ist es definitiv: Die britische Premierministerin Theresa May hat der Europäischen Union offiziell die Mitgliedschafts-Kündigung übermittelt. Nach dem EU-Sondergipfel im April werden sich ab Mai als Brexit-Chefunterhändler der EU-Vertreter Michel Barnier und der Vertreter Grossbritanniens, David Davis, in der Trennungsdiskussion gegenüberstehen . Beide sind starke Persönlichkeiten und keine unbeschriebenen Blätter.
Michel Barnier – dossierfestes «Arbeitstier»
Michel Barnier, der den Briten vor allem als ehemaliger EU-Kommissar bekannt ist, war zwischen 2010 und 2014 dafür verantwortlich, die Spielregeln für die Finanzmärkte neu zu definieren . In dieser Zeit schaffte er es, Obergrenzen für Bankerboni durchzusetzen.
Sein Image in England, wo er in Boulevard-Medien als Bankenschreck verteufelt wurde, ist deshalb eher negativ geprägt. Sie nennen ihn dort den «gefährlichsten Mann Europas».
Der 66-jährige Franzose Barnier gilt als bürgerlich-konservativer Gaullist und ist als «Arbeitstier» bekannt. Er war schon französischer Landwirtschafts- und Aussenminister, EU-Parlamentsmitglied und zweimal EU-Kommissar. Der Vater dreier Kinder ist somit auch bestens in Brüssel sowie in den Hauptstädten vernetzt und sehr dossierfest.
Wie wird er in den Verhandlungen taktisch vorgehen? «Bekannt ist, dass er zwei Fragen zuerst klären will: zum einen das Finanzielle, zum andern die Zukunft der EU-Bürger, die bereits in Grossbritannien leben sowie der Briten, die in der EU leben», sagt Sebastian Ramspeck, SRF-Korrespondent in Brüssel. Die grösste Herausforderung für Barnier sei, genau zu wissen, was bei welchem der Tausenden von Einzelaspekten wirklich auf dem Spiel steht.
David Davis – Aus dem Slum zum Brexit-Minister
Auf der anderen Seite steht für Grossbritannien David Davis im Brexit-Verfahren. Biss, Optimismus und Verhandlungsgeschick bringt der 68-jährige Konservative sicherlich mit. Aufgewachsen ist er in einem Londoner Slum, arbeitete zuerst als Versicherungsangestellter, studierte später Informatik und war eine Zeit lang Elitesoldat. 17 Jahre lang war er in einem Lebensmittelkonzern tätig, bis er in die Politik einstieg.
Auf der nationalen politischen Bühne ist er mittlerweile ein alter Hase. Seit 30 Jahren sitzt er im britischen Parlament und war auch Innenminister. Als ehrgeiziger Typ strebte er in Vergangenheit offenbar auch schon den Posten als Premierminister an. Eine Zeit lang war er als Staatssekretär für Europafragen im Aussenministerium. Diese Zeit bestärkte seine Skepsis gegenüber der Europäischen Union. Heute betrachtet er die EU grundsätzlich als Feind.
David Davis gilt als unnachgiebig und erzkonservativ. Deshalb hat er auch in England einen zweifelhaften Ruf. Er sprach sich für die Todesstrafe und gegen die Gleichstellung von Homosexuellen aus. In einer englischen Zeitung bekannte er sich selber als «charmanter Mistkerl.»
Davis' Tenor bei den Brexit-Verhandlungen: Alles halb so schlimm, Grossbritannien wird es nach dem Brexit so gut gehen wie nie zuvor. «Aussagen wie diese – von britischer wie von EU-Seite – sind natürlich immer auch Teil der Verhandlungstaktik», sagt Korrespondent Ramspeck. «Am Anfang sagt man viel, um zu bluffen.»
Schwierige Verhandlungen stehen an
Es sei sicherlich im Interesse beider Seiten, ein Abkommen zu erreichen. Zwei Jahre werden die zwei Chefunterhändler Zeit haben, um den Austritt auszuhandeln. Bereits Ende 2017 soll die erste Verhandlungsrunde abgeschlossen sein.
Am Brexit-Verhandlungstisch werden die Chefunterhändler aber nicht allein sein, erklärt Ramspeck: «Die wirklich wichtigen Entscheidungen treffen aber die jeweiligen Staats- und Regierungschefs.»
«Das werden wohl die kompliziertesten Verhandlungen, die in Europa jemals geführt wurden.» Ramspeck denkt dabei auch an die unzähligen Diskussionspunkte. «Ich rechne mit sehr harten Verhandlungen, die auch über die Medien ausgetragen werden», sagt der SRF-Brüssel-Korrespondent. «Da in den jeweiligen Teams sehr viele Leute involviert sind, rechnen wir mit vielen Leaks, aber auch vielen Gerüchten und Spekulationen.»