Es ist Mittagszeit im kleinen Dorf auf der burmesischen Seite der Grenze. Die Sonne brennt, es ist 41 Grad. Die meisten der rund 350 Bewohnerinnen und Bewohner halten sich im Schatten auf.
Hier sei vorher nur ein Maisfeld gewesen, erklärt Dorfchef Saw Ta Eh Doh stolz. «Nur die kleine Hütte dort, die war schon hier», sagt er. Den ganzen Rest hätten sie selbst aufgebaut.
Es sind einfache Behausungen aus Bambusgerüsten. Holzverschläge stehen herum, viele abgedeckt mit getrockneten Blättern oder Wellblech. Ihr eigentliches Dorf mussten die Menschen fluchtartig verlassen. Es befand sich mitten im Kampfgebiet zwischen der Junta und Rebellengruppen.
Drei, vier Häuser seien komplett niedergebrannt, sagt der Dorfchef. Auch Artilleriegeschosse hätten eingeschlagen. Zum Glück flüchteten die Bewohnerinnen und Bewohner frühzeitig. Niemand sei verletzt worden.
Die neue Bleibe ist gerade einmal vier Kilometer entfernt. Zurück könnten sie noch nicht, sagt der Dorfchef.
«Wir haben Angst!»
Die Gegend, in der sich das neue provisorische Dorf befindet, ist momentan unter der Kontrolle der Rebellen, die im Tarnanzug und mit Sturmgewehr patrouillieren. Immer wieder richten sie ihre Blicke nach oben. Denn die Militärjunta setzt auch Kampfjets und Helikopter ein.
Es sei hier auch nicht sicher, sagt Lehrerin Axiang. Unter einer Plastikplane bringt sie den Dorfkindern Burmesisch und Chinesisch bei.
«Wir haben Angst. Erst vor ein paar Tagen kamen wieder Flugzeuge und bombardierten die Gegend», sagt Axiang. Sie seien alle zur Brücke, die nach Thailand führe, gegangen, und hätten dort ausgeharrt.
Jetzt sind sie zurück im provisorischen Lager. Sie habe schon überlegt, sagt Axiang, nach Thailand zu flüchten. Doch wer würde dann die Kinder im Dorf unterrichten?
Während den heftigen Kämpfen um die Grenzstadt Myawaddy flohen Tausende nach Thailand. Doch die meisten sind inzwischen wieder zurück auf der burmesischen Seite.
Zwischen die Fronten geraten
Die «Revolution gegen die Diktatur und Netzwerk zur Volksverteidigung», kurz DRPDN, unterstützt Kampftruppen gegen die Militärjunta mit Munition, stellt Bomben her und hilft verwundeten Soldaten. Heute verteilen Helfer Wasser und Nahrungsmittel an Flüchtlinge, direkt am Grenzfluss. Zwei Pickup-Trucks parkieren auf dem staubigen Boden.
Soe Thu nimmt Wasserflaschen und eine Lunchbox entgegen. Der 32-Jährige geriet bei den Kämpfen um die Grenzstadt Myawaddy zwischen die Fronten. «Von allen Seiten wurde geschossen, ich wusste nicht, in welche Richtung ich rennen sollte», sagt Soe Thu. Er habe sich deshalb unter einem Auto versteckt.
Schliesslich findet er in einem Kloster Zuflucht. Als er sich dort auch nicht mehr sicher fühlt, flieht Soe Thu über den Grenzfluss nach Thailand. Ein paar Tage wohnt er in einem einfachen Unterstand, den die thailändischen Behörden direkt an der Grenze errichtet haben.
«Die Junta wird weiterhin schlimme Dinge tun»
Die Behörden hätten ihnen gesagt, er solle wieder auf ihre Seite des Flusses zurückkehren, sagt Soe Thu. Seither lebt er mit anderen Vertriebenen auf der burmesischen Seite des Flussufers.
Weiter weg von der Grenze traut sich Soe Thu noch nicht. Während des Gesprächs ist in der Ferne ein Militärhelikopter zu sehen. «Sie werden nie aufgeben und weiterhin schlimme Dinge tun», sagt Soe Thu. Sie haben eine Luftwaffe und rächen sich für ihre Niederlage. Für die Zivilbevölkerung bedeute das nichts Gutes.
Auf Landmine getreten
In der Mae-Sot-Klinik auf der thailändischen Seite treffen wir einen jungen Soldaten, der anonym bleiben will. Der heute 24-Jährige hat sich nach dem Militärputsch vor drei Jahren dem bewaffneten Widerstand angeschlossen.
Beim Angriff auf einen Militärposten der Junta tritt er auf eine Landmine. Kameraden verbinden sein Bein notdürftig, um die Blutungen zu stoppen. Er wird in ein Lazarett an der Front und schliesslich über den Fluss in die Mae-Sot-Klinik gebracht – eine wichtige Anlaufstelle für Menschen, die aus Myanmar fliehen.
Den Ärzten bleibt nichts anderes übrig, als sein linkes Bein zu amputieren. Im Spital erfährt er wenig später vom Sieg der Rebellen über die Militärposten rund um die Grenzstadt Myawaddy. Er sei erst sehr glücklich gewesen zu hören, dass ihre Mission erfüllt worden sei.
Doch als die Junta mit Luftschlägen antwortet, macht er sich Sorgen um die Zivilbevölkerung in der Stadt und auch um seine Kameraden vor Ort.
Rebellen fühlen sich verraten
Inzwischen kontrolliert die Militärjunta die Grenzstadt wieder, wohl auch dank der sogenannten «Border Guard Force», einer regionalen bewaffneten Gruppe. Diese verdient ihr Geld unter anderem mit Schmuggel und Casinos.
Die «Border Guard Force» hatte sich noch vor ein paar Monaten von der Militärjunta losgesagt, im Fall von Myawaddy aber nun offenbar doch mit der Junta zusammengearbeitet.
Bei den Rebellen fühlt man sich verraten. Man werde ganz sicher zurückschlagen, sagt der junge Soldat. «Die Diktatur muss fallen, das ist das Wichtigste.»
Im Innenhof der Klinik haben sich burmesische Künstlerinnen und Künstler eingefunden. Im Publikum sitzen Patientinnen, auch verwundete Soldaten – einige auf Plastikhockern, andere im Rollstuhl.
Trotz der vielen Hindernisse, aufgeben würden sie nie, singen viele im Publikum laut mit und ermutigen sich gegenseitig.