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Bürgerkrieg in Myanmar Ein Land versinkt im Chaos

Myanmars Militärjunta kämpft derzeit an allen Fronten. Zuletzt auch in der Grenzregion zu Thailand.

Es ist Mittagszeit im kleinen Dorf auf der burmesischen Seite der Grenze. Die Sonne brennt, es ist 41 Grad. Die meisten der rund 350 Bewohnerinnen und Bewohner halten sich im Schatten auf.

Hier sei vorher nur ein Maisfeld gewesen, erklärt Dorfchef Saw Ta Eh Doh stolz. «Nur die kleine Hütte dort, die war schon hier», sagt er. Den ganzen Rest hätten sie selbst aufgebaut.

Mann steht vor ländlicher Hütte unter Bananenstauden
Legende: Dorfchef Saw Tah Eh Doh traut sich noch nicht ins ursprüngliche Dorf zurück. SRF / Martin Aldrovandi

Es sind einfache Behausungen aus Bambusgerüsten. Holzverschläge stehen herum, viele abgedeckt mit getrockneten Blättern oder Wellblech. Ihr eigentliches Dorf mussten die Menschen fluchtartig verlassen. Es befand sich mitten im Kampfgebiet zwischen der Junta und Rebellengruppen.

Drei, vier Häuser seien komplett niedergebrannt, sagt der Dorfchef. Auch Artilleriegeschosse hätten eingeschlagen. Zum Glück flüchteten die Bewohnerinnen und Bewohner frühzeitig. Niemand sei verletzt worden.

Darum geht es beim Bürgerkrieg

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Im Februar 2021 putschte in Myanmar das Militär gegen die demokratisch gewählte Regierung unter Aung San Suu Kyi. Die Jahre der Demokratisierung und Öffnung waren auf einen Schlag zu Ende.

Nach dem Putsch kam es zu grossen Protesten in der Bevölkerung. Die Militärjunta unterdrückte diese jedoch brutal. Vor allem junge Burmesinnen und Burmesen gingen daraufhin in den Untergrund und schlossen sich dem bewaffneten Widerstand an – den «People’s Defence Forces» (PDF), die die Militärjunta entmachten wollen. Diese Volksverteidigungskräfte sind der bewaffnete Arm der «Nationalen Einheitsregierung» (NUG) – eine Schattenregierung, die von gewählten Politikerinnen und Politikern gegründet wurde, die nach dem Putsch entmachtet worden waren.

Daneben kämpft eine ganze Reihe an bewaffneten ethnischen Gruppen gegen die Vorherrschaft der Junta. Sie sind vor allem in den Grenzregionen zu den Nachbarländern stark. Ihre Forderungen reichen von mehr Autonomie bis zur Unabhängigkeit ihrer Regionen von Myanmar und reichen teilweise Jahrzehnte zurück. Einige der bewaffneten ethnischen Gruppen bilden auch Soldatinnen und Soldaten der «Volksverteidigungskräfte» aus. Mit der Militärjunta haben sie einen gemeinsamen Feind.

Die Junta wiederum geht mit äusserster Brutalität gegen ihre Feinde vor und schreckt auch vor Angriffen auf die Zivilbevölkerung nicht zurück. Weite Teile Myanmars sind im Bürgerkrieg versunken. Laut der UNO sind rund 3 Millionen Menschen auf der Flucht.

Die neue Bleibe ist gerade einmal vier Kilometer entfernt. Zurück könnten sie noch nicht, sagt der Dorfchef.

«Wir haben Angst!»

Die Gegend, in der sich das neue provisorische Dorf befindet, ist momentan unter der Kontrolle der Rebellen, die im Tarnanzug und mit Sturmgewehr patrouillieren. Immer wieder richten sie ihre Blicke nach oben. Denn die Militärjunta setzt auch Kampfjets und Helikopter ein.

Reflektion von Soldaten mit Gewehr durch eine verschmutzte Scheibe
Legende: Bewaffnete Rebellen fahren durch die Strassen. SRF / Martin Aldrovandi

Es sei hier auch nicht sicher, sagt Lehrerin Axiang. Unter einer Plastikplane bringt sie den Dorfkindern Burmesisch und Chinesisch bei.

«Wir haben Angst. Erst vor ein paar Tagen kamen wieder Flugzeuge und bombardierten die Gegend», sagt Axiang. Sie seien alle zur Brücke, die nach Thailand führe, gegangen, und hätten dort ausgeharrt.

Jetzt sind sie zurück im provisorischen Lager. Sie habe schon überlegt, sagt Axiang, nach Thailand zu flüchten. Doch wer würde dann die Kinder im Dorf unterrichten?

Während den heftigen Kämpfen um die Grenzstadt Myawaddy flohen Tausende nach Thailand. Doch die meisten sind inzwischen wieder zurück auf der burmesischen Seite.

Zwischen die Fronten geraten

Die «Revolution gegen die Diktatur und Netzwerk zur Volksverteidigung», kurz DRPDN, unterstützt Kampftruppen gegen die Militärjunta mit Munition, stellt Bomben her und hilft verwundeten Soldaten. Heute verteilen Helfer Wasser und Nahrungsmittel an Flüchtlinge, direkt am Grenzfluss. Zwei Pickup-Trucks parkieren auf dem staubigen Boden.

Mutter mit zwei kleinen Kindern sitzt in einer ländlichen Umgebung.
Legende: Unter den Vertriebenen befinden sich auch viele Familien mit Kleinkindern. SRF / Martin Aldrovandi

Soe Thu nimmt Wasserflaschen und eine Lunchbox entgegen. Der 32-Jährige geriet bei den Kämpfen um die Grenzstadt Myawaddy zwischen die Fronten. «Von allen Seiten wurde geschossen, ich wusste nicht, in welche Richtung ich rennen sollte», sagt Soe Thu. Er habe sich deshalb unter einem Auto versteckt.

Schliesslich findet er in einem Kloster Zuflucht. Als er sich dort auch nicht mehr sicher fühlt, flieht Soe Thu über den Grenzfluss nach Thailand. Ein paar Tage wohnt er in einem einfachen Unterstand, den die thailändischen Behörden direkt an der Grenze errichtet haben.

«Die Junta wird weiterhin schlimme Dinge tun»

Die Behörden hätten ihnen gesagt, er solle wieder auf ihre Seite des Flusses zurückkehren, sagt Soe Thu. Seither lebt er mit anderen Vertriebenen auf der burmesischen Seite des Flussufers.

Flussufer mit rudimentären Hütten und Vegetation im Hintergrund.
Legende: Flüchtlinge harren in einfachen Notunterkünften direkt an der Grenze aus. SRF / Martin Aldrovandi

Weiter weg von der Grenze traut sich Soe Thu noch nicht. Während des Gesprächs ist in der Ferne ein Militärhelikopter zu sehen. «Sie werden nie aufgeben und weiterhin schlimme Dinge tun», sagt Soe Thu. Sie haben eine Luftwaffe und rächen sich für ihre Niederlage. Für die Zivilbevölkerung bedeute das nichts Gutes.

Auf Landmine getreten

In der Mae-Sot-Klinik auf der thailändischen Seite treffen wir einen jungen Soldaten, der anonym bleiben will. Der heute 24-Jährige hat sich nach dem Militärputsch vor drei Jahren dem bewaffneten Widerstand angeschlossen.

Beim Angriff auf einen Militärposten der Junta tritt er auf eine Landmine. Kameraden verbinden sein Bein notdürftig, um die Blutungen zu stoppen. Er wird in ein Lazarett an der Front und schliesslich über den Fluss in die Mae-Sot-Klinik gebracht – eine wichtige Anlaufstelle für Menschen, die aus Myanmar fliehen.

Junge mit Kappe schaut von einer Veranda aus auf einen ländlichen Garten.
Legende: Ein verwundeter Soldat in der Mae-Sot-Klinik. Zum Schutz seiner Angehörigen will er anonym bleiben. SRF / Martin Aldrovandi

Den Ärzten bleibt nichts anderes übrig, als sein linkes Bein zu amputieren. Im Spital erfährt er wenig später vom Sieg der Rebellen über die Militärposten rund um die Grenzstadt Myawaddy. Er sei erst sehr glücklich gewesen zu hören, dass ihre Mission erfüllt worden sei.

Doch als die Junta mit Luftschlägen antwortet, macht er sich Sorgen um die Zivilbevölkerung in der Stadt und auch um seine Kameraden vor Ort.

Rebellen fühlen sich verraten

Inzwischen kontrolliert die Militärjunta die Grenzstadt wieder, wohl auch dank der sogenannten «Border Guard Force», einer regionalen bewaffneten Gruppe. Diese verdient ihr Geld unter anderem mit Schmuggel und Casinos.

Die «Border Guard Force» hatte sich noch vor ein paar Monaten von der Militärjunta losgesagt, im Fall von Myawaddy aber nun offenbar doch mit der Junta zusammengearbeitet.

Bei den Rebellen fühlt man sich verraten. Man werde ganz sicher zurückschlagen, sagt der junge Soldat. «Die Diktatur muss fallen, das ist das Wichtigste.»

Im Innenhof der Klinik haben sich burmesische Künstlerinnen und Künstler eingefunden. Im Publikum sitzen Patientinnen, auch verwundete Soldaten – einige auf Plastikhockern, andere im Rollstuhl.

Trotz der vielen Hindernisse, aufgeben würden sie nie, singen viele im Publikum laut mit und ermutigen sich gegenseitig.

Echo der Zeit, 11.5.2024, 18:00 Uhr

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