Chemiewaffen führen in den meisten Fällen zu einem qualvollen Tod. 1997 haben sich 193 Staaten dazu verpflichtet, alle Bestände zu melden und anschliessend zu vernichten. 26 Jahre später haben die USA ihre letzten Chemiewaffen zerstört. Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent von Radio SRF, erklärt, warum gerade jetzt.
Warum hat es in den USA so lange gedauert, alle Chemiewaffen zu vernichten?
Das hängt zum einen damit zusammen, dass die USA zuvor riesige Bestände an Chemiewaffen besassen: über 30'000 Tonnen. Mehr hatte mit rund 40'000 Tonnen nur noch die Sowjetunion. Dazu kommt, dass die Zerstörung von Chemiewaffen zum Teil aufwändiger ist als die Herstellung. Das ist enorm teuer und potenziell sehr gefährlich. Gerade in demokratischen Ländern gibt es natürlich immer wieder Widerstände der Bevölkerung, wenn Chemiewaffen in ihrer Nähe zerstört werden sollen.
Die Amerikaner haben deswegen zum Teil aufwändige Verfahren entwickelt, um die Gefährlichkeit bei der Zerstörung zu reduzieren. Statt beispielsweise Chemiewaffen zu verbrennen, hat man versucht, sie auf bakteriellem Weg unschädlich zu machen. Aber es gibt natürlich durchaus auch Kritik, dass die USA noch mehr hätten investieren müssen. So mussten sie mehrfach um Aufschub nachsuchen. Die letzte Deadline wäre im September abgelaufen. Die haben die sie nun erreicht.
Warum kommt diese endgültige Zerstörung gerade jetzt?
Es wurde schon länger erwartet, dass die USA mit der Zerstörung in diesem Jahr fertig werden. Dass die Bekanntgabe aber fast gleichzeitig erfolgt mit der Ankündigung, künftig die ebenfalls geächteten und verbotenen Streubomben an die Ukraine zu liefern, ist wohl kein Zufall. Es geht den Amerikanern wohl darum, eine schlechte Nachricht ein Stück weit zu neutralisieren. Sie wollen zeigen, dass sich die USA nach wie vor grundsätzlich zur Abrüstung bekennen.
Ist die Welt damit frei von Chemiewaffen?
Das trifft weitgehend zu, was die deklarierten Chemiewaffenbestände betrifft. Allerdings weiss man, dass Nordkorea wohl beträchtliche Bestände besitzen dürfte. Vermutet wird auch, dass Israel, das das Verbot zwar unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert hat, und wohl auch Ägypten noch gewisse Bestände haben. Und vor allem ist bekannt geworden, dass Russland und Syrien zwar dem Abkommen beigetreten sind, aber dabei getrickst haben. Sie haben gewisse Chemiewaffenbestände zurückgehalten oder gar neue hergestellt.
Warum ist die Abrüstung von Chemiewaffen weiter als bei biologischen oder atomaren Waffen?
Es gibt drei Gründe dafür: Chemiewaffen wurden ja in der Vergangenheit mehrfach in grossem Umfang eingesetzt: im Ersten Weltkrieg, im Zweiten Weltkrieg, bei der Ermordung von Juden durch die Nazis und später durch den Irak im Krieg gegen den Iran. Es gab dadurch hunderttausende, wenn nicht Millionen von Toten. Deswegen ist diese Waffengattung besonders geächtet. Dann kommt dazu, dass der politische Wille zur Vernichtung von Chemiewaffen wohl grösser war als bei anderen Massenvernichtungswaffen, weil deren militärische Nutzen begrenzt ist. Sie gilt hauptsächlich als Terrorwaffe.
Und dann geht es letztlich auch um die Durchsetzbarkeit. Bei den Chemiewaffen gibt es ein umfangreiches Kontroll- und Inspektionsregime durch die Chemiewaffenbehörde OPCW in Den Haag. Bei den biologischen Waffen fehlt ein solches Kontrollregime und es wäre auch schwieriger durchzusetzen, denn biologische Waffen können in Hunderttausenden von Labors weltweit hergestellt werden.