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China-Politik der G7 Ein Drohfinger und eine ausgestreckte Hand

In China sehen die G7-Staaten die grosse Herausforderung, wenn nicht gar eine Gefahr. Doch China ist für den Westen zugleich ein unverzichtbarer Wirtschaftspartner. Vor diesem Dilemma haben sich die G7-Staaten auf eine härtere Haltung gegenüber Peking geeinigt – bloss: allzu hart dann auch nicht.

Zwei englische Begriffe prägen auf dem G7-Gipfel die Debatten um China: «De-Coupling» versus «De-Risking». Ersteres bedeutet: Der Westen koppelt sich radikal von China ab. Letzteres verlangt bloss, übergrosse Abhängigkeiten von der Wirtschaftssupermacht zu vermeiden – als Markt und als Lieferantin. Es ist kein Geheimnis, dass die USA zu einer härteren Haltung neigen als die Europäer.

Am Ende mässigte Washington jedoch seine Position. So sagte US-Sicherheitsberater Jake Sullivan: «Wo es gemeinsame Interessen gibt, wollen wir mit China kooperieren – von Abkoppeln ist keine Rede mehr.»

Was der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz mit Genugtuung quittierte. Er hat sich, zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem japanischen Premierminister Fumio Kishida, durchgesetzt. So steht nun ausdrücklich im Gipfelbeschluss: «Die G7 wollen konstruktive und stabile Beziehungen mit China.»

Gruppenfoto der G7.
Legende: Die G7 haben sich auf eine gemeinsame Chinapolitik geeinigt. Keystone/Jonathan Ernst/Pool Photo via AP

Gleich lange Spiesse für Westen und China

Allerdings, so EU-Ratspräsident Charles Michel, müsse das Verhältnis ausgewogener werden. Was etwa bedeutet: gleich lange Spiesse für westliche Firmen in China wie für chinesische im Westen. Derzeit macht China westlichen Investoren das Leben immer schwerer. Bisher unternahmen westliche Länder eher wenig, um das zu ändern. Jetzt setzen sie es sich selber als Ziel, allerdings ohne konkrete Massnahmen zu nennen.

Der Export von Hochtechnologie soll künftig stärker kontrolliert, ja eingeschränkt werden, erst recht bei Produkten, die der militärischen Aufrüstung dienen. Globale Lieferketten sollen verbreitert werden, damit man nicht, etwa bei Solarzellen, völlig von China abhängig ist. Auch Entwicklungsländer sollen nicht gänzlich auf China angewiesen sein. Bloss: «Greifen wir im Westen ihnen dabei nicht viel stärker unter die Arme, schrumpft unser Einfluss dort und jener Pekings wächst», mahnte US-Präsident Joe Biden.

Ein weiterer Punkt: Die G7 wollen Druck auf China ausüben, damit dieses seinerseits Druck auf seinen strategischen Partner Russland ausübt, seine Truppen aus der Ukraine abzuziehen. Bloss: Wie genau das geschehen soll, wird nicht gesagt.

Westen kann sich nicht ganz von China lösen

Immerhin: In der schwierigen Chinapolitik, welche die USA und Europa bisher spaltete, habe man sich nun in zentralen Punkten geeinigt, findet US-Sicherheitsberater Sullivan. Worauf man nun in manchen Schlagzeilen lesen kann: «Die G7 gehen offensiv gegen Chinas Dominanzansprüche vor.» Diese Einschätzung mag der erstaunlich klaren Sprache in der Gipfelerklärung entsprechen.

Doch bei näherer Betrachtung bleibt manches reichlich vage. Und es bleibt das Eingeständnis: Der Westen kann sich wirtschaftlich unmöglich ganz von China lösen. Selbst, wenn man das möchte.

Info 3, 20.05.2023, 17:00 Uhr

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