Ein Diplomat ist ein Gentleman, der zweimal überlegt, bevor er nichts sagt.
Dieser Satz stammt vom US-Schriftsteller John Steinbeck. Und im Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen steht, Diplomaten seien dazu da, «die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Entsende- und Empfangsstaat zu fördern.» Gerade Chinas Botschafter im Ausland galten lange Zeit als mustergültig: fachlich hoch qualifiziert, diskret und farblos.
Doch nun herrscht ein neuer Ton. Den setzte Aussenminister Wang Yi höchstpersönlich, als er bei einem Besuch in Kanada auf einer Pressekonferenz eine Journalistin abkanzelte: Voller Vorurteile gegen China und triefend vor Arroganz, ja schlicht inakzeptabel, sei die Frage der Journalistin zu Chinas Menschenrechtspolitik und zu den Territorialansprüchen im südchinesischen Meer.
Drohungen gegen Gastländer
Getreu dem Prinzip «wie der Herr, so's Gescherr» greifen Chinas Emissäre in zahlreichen Ländern zum verbalen Zweihänder. Besonders forsch etwa der Botschafter in Australien, Cheng Jingye. Zum einen streitet er rundweg ab, dass Chinas Unterdrückung der Uiguren eine Menschenrechtsverletzung darstelle; es gehe allein um Terrorismusbekämpfung.
Nun gehört es zum Beruf, dass Diplomaten nicht unbedingt die reine Wahrheit sagen, sondern jene Wahrheit, die ihre jeweilige Regierung behauptet. Unüblich ist jedoch, dass sie das Gastland angreifen, wie das Cheng Jingye tut, wenn er droht, Chinas Importe aus Australien zu reduzieren.
Pekings Statthalter bei der EU in Brüssel wiederum verbittet sich jede ausländische Kritik an Chinas Vorgehen in Hongkong. Das sei eine rein innerchinesische Angelegenheit. Der chinesische Botschafter in Paris wurde gar ins Aussenministerium zitiert, nachdem er behauptet hatte, Frankreich foutiere sich um seine Corona-Kranken in Altersheimen.
In Venezuela sprachen Abgeordnete vom «chinesischen Coronavirus», worauf dessen Botschafter barsch appellierte: «Tragt Masken und haltet den Mund.» Und Chinas Generalkonsul in Zürich, Zhao Qinghua, griff im «Blick» US-Präsident Donald Trump frontal an und polterte, dieser solle nicht China kritisieren, vielmehr seine eigene Verantwortung wahrnehmen. Chinas Botschafter in den Niederlanden erklärte gar, Trump sei voller Rassismus.
Pekings Mann in London wiederum, Liu Xiaoming, zog in einem Interview mit der «BBC» deren Quellen, in diesem Fall ein Video, rundweg in Zweifel. Anschliessend riet er Grossbritannien forsch, eine unabhängige Aussenpolitik zu pflegen und nicht den doppelzüngigen USA hinterherzueilen.
Beobachter sprechen von «Rambo-Diplomatie» oder bezeichnen Chinas Botschafter als «Wolfskrieger». Dies angelehnt an einen höchst erfolgreichen chinesischen Film, in dem chinesische Helden in «Rambo»-Manier fremde Krieger in Schach halten. Manche empfinden den neuen Ton in Chinas Aussenbeziehungen als energisch, andere als aggressiv, als beleidigend und gar bedrohlich.
Erfunden haben die «Rambo»-Diplomatie indes nicht die Chinesen. Seit längerem treten einzelne US-Diplomaten ruppig auf. Ganz besonders tat dies Washingtons Mann in Berlin, Richard Grenell, der regelmässig Deutschland drohte und dessen politische Führung abkanzelte. Er ist seit kurzem nicht mehr im Amt, hingegen in Trumps Nähe im Weissen Haus.