Zum Inhalt springen

Konfrontation USA-China «Wir stecken schon mitten in der Eiszeit»

Die US-Regierung hat die Schliessung des chinesischen Konsulats in Houston angeordnet. Begründet wird der Schritt mit dem Schutz geistigen Eigentums sowie der Daten der US-Bürgerinnen und Bürger. Peking wies die Vorwürfe zurück und drohte mit Vergeltung.

Für ARD-Korrespondent Steffen Wurzel in Schanghai zeigen die Vorgänge, wie weit der Konflikt zwischen den beiden Supermächten bereits fortgeschritten ist.

Steffen Wurzel

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Steffen Wurzel berichtet für den deutschen öffentlich-rechtlichen TV-Sender ARD aus Schanghai.

SRF News: China droht mit Vergeltung für die Schliessung des Konsulats in Houston. Was ist von Peking zu erwarten?

Steffen Wurzel: In China geht man davon aus, dass Peking eines der US-Konsulate im Land schliessen wird. Neben der Botschaft in Peking gibt es fünf US-Konsulate in China. Die Staatsmedien suggerieren nun, dass entweder das Konsulat in Chengdu oder jenes in Wuhan geschlossen wird.

Die US-Regierung begründet die Schliessung des chinesischen Konsulats in Houston damit, dass US-Bürgerinnen und Bürger vor Einschüchterung und Datenklau geschützt werden müssten. Ist da etwas dran?

Das ist von hier aus schwer zu sagen. Auffällig ist auf jeden Fall, dass es einen zeitlichen Zusammenhang gibt zu den Vorwürfen der vergangenen Tage, dass chinesische Hacker in verschiedene Corona-Forschungsdatenbanken in den USA eingedrungen sein sollen.

US-Medien sehen einen Zusammenhang mit den Hacker-Vorwürfen der vergangenen Tage.

US-Medien stellen – soweit ich das von Schanghai aus beurteilen kann – auf jeden Fall einen Zusammenhang zwischen den beiden Vorgängen her.

Nach der Schliessungsanordnung verbrannten Angestellte des Konsulats in Houston offenbar zuhauf Akten. Hat man tatsächlich etwas zu verstecken, oder ist das ein übliches Vorgehen?

Die Wirkung dieser Bilder ist tatsächlich enorm: Es scheint, dass hier offensichtlich jemand etwas zu verbergen hat und dubiose Dokumente verschwinden lassen will.

Es geht viel schneller, Akten zu verbrennen, als sie zu schreddern.

Doch man muss davon ausgehen, dass dort nicht nur hochbrisante Spionageakten vernichtet wurden, sondern auch ganz normale bürokratische Akten, welche die USA nach Räumung des Geländes nicht in die Hände bekommen sollen. Offenbar ist ein solches Vorgehen üblich, denn es geht viel schneller, Akten zu verbrennen, als sie zu schreddern.

Trump und Xi posieren.
Legende: Bei ihrem ersten Treffen im April 2017 verbreiteten die beiden Präsidenten Trump und Xi noch Optimismus. Inzwischen herrscht zwischen den USA und China Eiszeit. Reuters Archiv

Der Streit zwischen den USA und China schwelt ja schon länger. Ist jetzt eine neue Eskalationsstufe erreicht?

Das kann man durchaus so sehen. Nach der wirtschaftlichen Entkopplung – vor zwei Jahren begann die Spirale gegenseitiger Strafzölle –, der gesellschaftlichen Entkopplung seit Anfang Jahr – den touristischen und studentischen Austausch gibt es nicht mehr –, beginnt jetzt offensichtlich die diplomatische Entkopplung.

Offenbar beginnt jetzt die diplomatische Entkopplung.

In dem Streit entsteht der Eindruck, dass die USA jeweils vorlegen und China dann nachzieht. Passt die neue Eskalation auch in diese Dynamik?

Das ist die chinesische Perspektive, was in den chinesischen Medien auch so vermittelt wird. In den USA sieht man das natürlich völlig anders: Dort herrscht die Meinung vor, dass die USA bloss auf die Provokationen, Lügen und nicht eingehaltenen Versprechen Chinas reagieren. Das betrifft die Geopolitik, die Wirtschaftsspionage oder die Menschenrechte.

In Europa nimmt man den Konflikt wohl nicht so wahr.

Droht nun eine diplomatische Eiszeit zwischen den beiden Grossmächten?

Wir stecken wohl schon mitten in dieser Eiszeit drin. In Europa nimmt man das vielleicht nicht so wahr. Doch der Trend, dass hier ein grosser, neuer, geopolitischer Grundsatzkonflikt zwischen zwei Supermächten entsteht, gibt es schon seit zwei Jahren. Die Vorgänge in Houston unterstreichen das bloss.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

SRF 4 News aktuell vom 23.7.2020, 06.15 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel