Bei seiner für Anfang März geplanten Reise will Papst Franziskus unter anderem Qaraqosh im Nordirak besuchen. In keiner irakischen Stadt war der christliche Bevölkerungsanteil grösser, bis Anfang August 2014 der IS über die Stadt herfiel.
Den Skype-Anruf nimmt Pater Ammar Yako in Qaraqosh auf seinem Handy ab, mit eingeschalteter Kamera. Er ist gerade auf dem Weg zu seiner Kirche und strahlt übers ganze Gesicht: «Wir bereiten den Ort für den Papstbesuch vor. Die zerstörte Kirche ist fast fertig wiederaufgebaut, und die Regierung macht die Strasse davor neu.»
Wir bereiten den Ort für den Papstbesuch vor. Die zerstörte Kirche ist fast fertig wiederaufgebaut
Als der IS kam
Was nach routinemässigen Renovationsarbeiten für einen Papstbesuch klingt, ist im nordirakischen Qaraqosh weit mehr als das. Denn seit dem 6. August 2014 ist die Stadt nicht mehr, was sie einst war: «Schon am frühen Morgen töteten IS Raketen in Qaraqosh drei Menschen, zwei davon Kinder, erzählt Pater Ammar Yako. Am Nachmittag habe in der Stadt die Flucht Tausender in Richtung Kurdistan begonnen.
Der Geistliche weilte zu diesem Zeitpunkt in der ebenfalls mehrheitlich christlichen Nachbargemeinde Bartella. Er selbst flüchtete erst im Laufe der Nacht in die nordirakische Kurdenregion.
100'000 flohen in einer Nacht
Zusammen mit anderen Geistlichen half er, Menschen in Sicherheit zu bringen: Noch um Mitternacht fuhr er eine Familie, die zu Fuss flüchtete, zur Grenze, und kam dann wieder zurück. «Um 03:00 Uhr wurden wir eindringlich gewarnt, sofort zu flüchten: Der IS habe unsere Städte eingenommen», erzählt Pater Ammar Yako.
Wer zurückblieb, wurde vom IS ermordet, misshandelt oder zur Konvertierung zum Islam gezwungen. Über 100'000 Christinnen und Christen flohen in jener Nacht ins Kurdengebiet.
Erst drei Jahre später, 2017, sah der Pater Qaraqosh wieder. Erst die Hälfte der Stadt war damals vom IS befreit: «Die syriakisch-katholische Al Tahira Kirche war fast vollständig zerstört. Was mit dieser Stadt passiert ist, ist nicht einfach hinzunehmen.»
Was mit dieser Stadt passiert ist, ist nicht einfach hinzunehmen.
Schwierige Rückkehr
In einer zerstörten Stadt wieder eine Gemeinschaft aufzubauen bleibt bis heute schwierig. Zwar ist immerhin rund die Hälfte der insgesamt 50’000 Christinnen und Christen nach Qaraqosh zurückgekehrt. Es mangelt jedoch an allem: Viele Häuser sind noch zerstört, Arbeit gibt es keine, die politische Situation im Irak ist instabil – und das nicht erst seit dem IS.
Bereits in den Kriegsjahren nach der US-Invasion des Irak 2003 war über eine halbe Million irakische Christen ausgewandert. Heute leben je nach Schätzung noch etwas mehr oder weniger als 300'000 Christinnen und Christen im Irak.
Ein Hoffnungsschimmer
Ihnen mache Papst Franziskus mit seinem Besuch Hoffnung, sagt der 44-jährige Pater Ammar Yako: «Wir sind so glücklich, dass wir den Papst empfangen dürfen. Er wird uns Hoffnung geben, dass wir als Christen hier im Irak weiterleben können, auch wenn es immer weniger von uns gibt.»
Der Papst wird uns Hoffnung geben, dass wir als Christen im Irak weiterleben können, auch wenn es immer weniger von uns gibt.
Seit über 2000 Jahren leben Christinnen und Christen im Irak. Für Pater Ammar Yako ist klar, dass er hierbleiben will: «Vielleicht werde ich einmal der letzte Christ sein, der den Irak verlässt», sagt der Pater, der fast als letzter Qaraqosh verliess, als der IS kam. Er wendet sich wieder den Renovationsarbeiten in der Al Tahira Kirche zu, die mit dem angekündigten Papstbesuch Auftrieb erhalten haben.