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Corbyn gründet «Your Party» Neue linke Partei in Grossbritannien – ade Zweiparteiensystem

Das britische Politsystem ist als Zweiparteiensystem angelegt: Konservative Tories und linke Labour wechseln sich ab an der Macht. Doch seit einigen Jahren zersplittert das politische Spektrum in immer kleinere Teile. Jetzt hat der frühere Labour-Chef Jeremy Corbyn «Your Party» gegründet. SRF-Korrespondent Patrik Wülser in London kennt die Hintergründe.

Patrik Wülser

Grossbritannien-Korrespondent

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Patrik Wülser arbeitet seit Ende 2019 in London als Grossbritannien-Korrespondent für SRF. Wülser war von 2011 bis 2017 Afrika-Korrespondent und lebte mit seiner Familie in Nairobi. Danach war er Leiter der Auslandsredaktion von Radio SRF in Bern.

Welche Rolle könnte «Your Party» künftig spielen?

«Your Party» holt jene Leute ab, die mit Labour zunehmend ein Problem haben. Nach dem überwältigenden Wahlsieg im vergangenen Jahr ist Labour bis heute nicht in die Gänge gekommen. Im Gegenteil: Mit dem Abbau von Sozialleistungen oder mit Ministerinnen, die ihre Steuern nicht bezahlen, hat man die eigene Wählerschaft vor den Kopf gestossen. In der Migrationspolitik ist man unter dem Druck von Nigel Farage stark nach rechts gerutscht. Premierminister Keir Starmer navigiert relativ mut- und glücklos durch den Alltag. Ein Fünftel der Labour-Wählenden ist damit zutiefst unzufrieden. Für sie könnte die linke «Your Party» eine Alternative sein. 

Warum hat Jeremy Corbyn eine neue linke Partei gegründet?

Vor fünf Jahren schloss Keir Starmer Corbyn aus der Labour-Partei aus. Seitdem sitzt Corbyn als unabhängiger Abgeordneter im Parlament. Seine geplante Neugründung ist weniger ein Racheakt als eine Reaktion auf die Enttäuschung vieler Wählerinnen und Wähler. Starmer wirkt trotz technokratischer Integrität oft wie ein Roboter. Corbyn dagegen spricht in seiner zerknitterten Jacke und der schief sitzenden Brille eine breite linke Klientel an. Er verkörpert organisches, marxistisches Basis-Gewächs – nicht nur politisch, sondern auch im Alltag: als Kämpfer für Benachteiligte – aber auch als passionierter Schrebergärtner, der sich für den Erhalt von Kleingärten einsetzt. In seinem Londoner Wahlkreis Islington ist er immer noch beliebt.

Warum hat Corbyn bei der Parteigründung keine eindeutige Führungsrolle erhalten?

Da kann man nur spekulieren. Aber: Die Gründungskonferenz war eine ziemliche Chaos-Veranstaltung. Man hat sich gestritten über den Namen, über Geld und über die Führung. Es kam zu Ausschlussverfahren und Boykotten. Am Ende hat man sich auf ein basisdemokratisches Politbüro aus 15 Personen geeinigt. Corbyn wird zwar respektiert, aber die Zeiten des 76-jährigen Alt-Marxisten auf der grossen Bühne scheinen zu Ende zu sein.

Hilft es den Konservativen, wenn sich die Linken aufspalten?

Die Tories befinden sich nach ihrer Wahlniederlage immer noch in einem palliativen Zustand und führen ein politisches Schattendasein. «Your Party» ist eher Ausdruck eines rasanten Wandels der britischen Politlandschaft. Sowohl die Konservativen als auch Labour können die Wählerinnen und Wähler nicht mehr überzeugen. Wenn heute gewählt würde, wäre der Rechtspopulist Farage Premierminister. Das populistische Pendant am linken Rand ist «Your Party». Auch die Grünen und die Liberaldemokraten feiern Zuwachs. Wir erleben gerade die Fragmentierung der britischen Parteienlandschaft und den Niedergang des Zweiparteiensystems.

Rendez-vous, 3.12.2025, 12:30 Uhr ; 

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