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Corona in Afrika «Hier gibt es keine Intensivbetten für Covid-Patienten»

Während in vielen Industrieländern die Impfaktion gegen Covid-19 begonnen hat, wird Afrika noch Monate auf den Impfstoff warten müssen. In Südafrika wird deshalb jetzt Kritik laut. Doch in vielen ärmeren afrikanischen Ländern haben die Menschen andere Probleme als Covid, wie der Journalist Adrian Kriesch ausführt.

Adrian Kriesch

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Der deutsche Journalist lebt und arbeitet in Südafrika. Er berichtet von dort aus für diverse deutsche Medien über das Land und den Kontinent.

SRF News: Das Coronavirus breitet sich auch in Südafrika stark aus. Wie ist die Lage in den dortigen Spitälern?

Adrian Kriesch: Ich habe das grösste Spital im grössten Township Südafrikas besucht. Die Lage dort ist schockierend. Für die Covid-Patienten gibt es gerade mal einen kleinen Warte- und Behandlungsraum, in dem die Patienten teils seit Tagen auf ein freies Bett warten. Der Chefarzt sagte mir, dass er immer wieder entscheiden müsse, wer überhaupt Sauerstoff erhalte, weil es zu wenig Sauerstoffgeräte gibt.

Wer sehr alt ist oder unter Vorerkrankungen leidet, erhält in Südafrika kein Intensivbett.

Intensivbetten für Corona-Kranke gibt es in diesem Spital keine. Und wer sehr alt ist oder unter Vorerkrankungen leidet, erhält auch in einem anderen südafrikanischen Spital kein Intensivbett. Das in solchen Fällen zur Anwendung kommende Punktesystem – es entscheidet, ob sich eine teure Therapie für einen Patienten lohnt – existierte im staatlichen südafrikanischen Gesundheitssystem allerdings schon vor der Coronakrise.

Hoch ansteckendes Virus aus Südafrika

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Legende: Reuters

In Südafrika kursiert eine neue Variante des Sars-CoV-2-Virus, die als Treiber für die neue Infektionswelle gilt. Das Tempo der Ausbreitung hat dadurch zugelegt. Seit Bekanntgabe des mutierten Virus haben viele Länder daher Restriktionen für Reisende aus Südafrika verhängt. Trotzdem ist die Mutation auch in Europa und der Schweiz bei einigen Infizierten bereits nachgewiesen worden. Der britische Gesundheitsminister Matt Hancock sagte im BBC-Radio, die mutierte südafrikanische Virusvariante sei ein «sehr signifikantes Problem» und sogar ein noch grösseres Problem als die hochinfektiöse britische Variante. (sda)

Wie geht Südafrika damit um, dass das Land wohl erst in Monaten die ersten Impfstoffdosen erhalten wird?

Das wird hier ein bisschen verdrängt, obschon Wissenschaftler bereits vor einer dritten und vierten Corona-Welle warnen. Laut dem Staatspräsidenten sollten die ersten Impfdosen immerhin Mitte des Jahres in Südafrika eintreffen. Doch der durch die Covax-Initiative zu erwartende Impfstoff wird für höchstens zehn Prozent der Bevölkerung reichen.

Wird die Regierung dafür kritisiert?

Lange war der Impfstoff kein Thema, doch jetzt regt sich Unmut. Die Regierung sagt zwar, sie sei im Gespräch mit diversen Impfstoffherstellern, doch Transparenz darüber gibt es keine. Das ärgert viele.

Man hofft auf weitere Impfstoffe, von denen es nur eine Impfdosis brauchen wird.

Einer der wichtigsten Epidemiologen des Landes hofft zudem darauf, dass möglicherweise bald weitere Impfstoffe zugelassen werden könnten, die nur eine einmalige Impfung erfordern würden. Das wäre viel billiger und logistisch auch viel einfacher umzusetzen – gerade in Afrika.

Südafrika gehört zu den reicheren Ländern in Afrika und es dauert noch Monate, bis dort geimpft werden kann. Wann wird in noch ärmeren Ländern Afrikas geimpft werden können?

Das ist völlig unabsehbar. Die Länder hoffen auf die erwähnte Covax-Initiative, welche die armen Länder mit einer gewissen Menge Impfstoff versorgt, welche von den reichen Ländern bezahlt wird. Schliesslich ist es auch im Interesse der reichen Länder, dass die Corona-Pandemie weltweit eingedämmt wird. Denn wenn das Virus hier weiter wütet und möglicherweise mutiert, ist das auch eine Bedrohung für den Rest der Welt.

Im Bürgerkriegsgebiet von Kamerun ist Covid das kleinste Problem.

Sie waren gerade in Kamerun – wie ist die Lage dort?

Sobald man den Flughafen verlässt, ist Covid dort kein grosses Thema mehr. Masken werden nur aufgesetzt, wenn Polizei in der Nähe ist. Bars und Nachtclubs haben geöffnet. Ich war an einem Gottesdienst im Westen Kameruns, wo seit vier Jahren ein Bürgerkrieg tobt. Dort gab es kein Abstandhalten oder Maskentragen. Der Pastor sagte mir, Covid sei ihr kleinstes Problem; die Leute wüssten nicht, was sie am nächsten Tag an Essen auf den Tisch kriegen und ob sie von Separatisten oder Soldaten bedroht werden. Auch gibt es in Afrika andere Krankheiten, die weit mehr Menschen töten als Covid: Malaria, Aids oder Tuberkulose.

Das Gespräch führte Claudia Weber.

SRF 4 News aktuell vom 5.1.2021, 07.20 Uhr ; 

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