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Coronavirus in Australien Forscher fordern «Lockdown» – Regierung weigert sich

Unklare Kommunikation von Politikern, geöffnete Coiffeursalons und Schulen gefährden auf dem Fünften Kontinent den Kampf gegen das Coronavirus.

Seit Mittwoch ist Australien wieder das, was es vor über 200 Jahren gewesen war: eine Insel von Gefangenen. Seit diesem Tag ist es australischen Staatsbürgern nicht mehr gestattet, den Kontinent zu verlassen. Gleichzeitig sind Australierinnen und Australier rund um den Globus aufgefordert worden, eiligst nach Hause zu fliegen.

Am Freitag ordnete Canberra an, die täglich rund 7000 Rückkehrer dürften nach ihrer Ankunft nicht nach Hause, sondern würden 14 Tage lang auf Kosten des Staates in ein Hotel zur Selbstquarantäne geschickt. Am Freitag hatte Australien über 3000 Corona-Fälle. Sieben Menschen sind bisher an der Krankheit gestorben.

«Soziale Distanz», aber Haare schneiden geht

Trotz der Massnahmen gegen das Virus kritisieren Experten, die konservative Regierung unter Premierminister Scott Morrison renne der Entwicklung nach, statt präventiv zu handeln. Zwar gelten auch in Australien die Regeln der «sozialen Distanz». Der Regierungschef wehrte sich aber die ganze Woche stoisch gegen den «Lockdown» des öffentlichen Lebens nach europäischem Muster, den die Mehrzahl der Experten fordert.

Die Regierung insistiert, dass Schulen geöffnet bleiben sollen, «weil die Kinder sonst ein ganzes Jahr Lernen verlieren würden», so Morrison. Ausserdem wolle er der Wirtschaft nicht mehr Schaden zumuten, als unbedingt nötig sei. Nur dort, wo enger Kontakt zum Kunden unvermeidbar ist, wurde die Schliessung von Betrieben angeordnet. Zum Erstaunen vieler dürfen Coiffeurläden geöffnet bleiben. Ein Haarschnitt dürfe aber nicht länger als 30 Minuten dauern, so Morrison, bevor die Bestimmung wieder gestrichen wurde.

Audio
Coronavirus: Aggressive Hamsterkäufe in Australien
aus #SRFglobal vom 19.03.2020. Bild: Imago
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 5 Sekunden.

Wissenschaftler weisen auf die Entwicklung der Zahl der Erkrankten hin. Der Epidemiologe Tony Blakely von der Universität Melbourne fordert die Regierung seit Tagen auf, einen «Lockdown» anzuordnen. Unter den gegenwärtigen Massnahmen könnte die Epidemie eskalieren und mit etwa 125'000 Infektionen pro Tag ihren Höhepunkt erreichen. Blakely prognostiziert, dass am Ende der Epidemie 165'000 Menschen – oder 0.84 Prozent aller Erkrankten – intensive Pflege benötigen würden.

Bundesstaaten führen strengere Regeln ein

Solche Aussichten haben in den letzten Tagen mehrere Bundesstaaten veranlasst, das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. In New South Wales rief die Regierung die Bürger auf, Kinder aus der Schule zu nehmen – im Widerspruch zur Anordnung aus Canberra.

Für den bekannten Schriftsteller Richard Flanagan liegt die Hauptursache für das scheinbare Chaos im Kampf gegen Corona bei Scott Morrisons Defizit an Führungsqualität. «Seine Botschaft ist nicht so sehr unklar als vielmehr schwachsinnig», schreibt der Autor: «Weshalb sonst – als die Schwere der Krise bereits offensichtlich war und die Notwendigkeit einer ‹sozialen Distanzierung› deutlich wurde – sagte Morrison lächelnd, dass er zum Fussball gehen würde?»

SRF 4 News, 27.03.2020, 10.00 Uhr

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