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Cyber-Angriffe unter Wasser? Tiefsee-Internetkabel – verletzlich und doch erstaunlich robust

Die filigranen Meeresleitungen seien im Cyber-Gesamtsystem recht gut geschützt, sagt SRF-Digitalredaktor Guido Berger.

Darum geht es: 95 Prozent des weltweiten Internetverkehrs wird durch Unterseekabel sichergestellt. Der Angriffskrieg in der Ukraine weckt Befürchtungen, dass das durch Sanktionen isolierte Russland dieses Informationsnervensystem als Angriffsziel im Auge haben könnte. Für Spionage und Sabotage. So berichtete kürzlich die «Neue Zürcher Zeitung» von verdächtigen Aktivitäten von russischen U-Booten in der Nähe solcher Tiefseekabel.

Sabotage: Sabotagefälle an Untersee-Internetkabeln sind bisher nicht bekanntgeworden, wie SRF-Digitalredaktor Guido Berger erklärt. Sabotage sei eher unrealistisch, auch wegen der unabsehbaren Folgen. So sei es nicht möglich, gezielt eine Kommunikationslinie zu unterbrechen, ohne allenfalls den gesamten Internetverkehr zwischen den Kontinenten zu stören und somit selber in Mitleidenschaft gezogen zu werden.

Spionage: Das Abhören von Unterseekabeln zu Spionagezwecken – etwa über die Anbringung spezieller Geräte – wäre laut Berger sehr anspruchsvoll und kaum unbemerkt zu schaffen. Zudem sei der Datenverkehr verschlüsselt und könne nicht so einfach in Echtzeit geknackt werden. Eigentlich habe niemand ein Interesse daran, solche Kabel zu zerstören, stellt Berger weiter fest. Selbst Terroristen nutzten das globalisierte System mit den Finanzströmen für ihre Zwecke. Irrationale Akteure und Wahnsinnige wiederum hätten in der Regel weder das Wissen noch die Fähigkeit, solche Kabel in grösserem Umfang zu zerstören.

Beschädigungen: Hinter den jährlich dokumentierten 100 bis 200 Beschädigungen solcher Kabel steckt unter anderem die Fischerei mit Schleppnetzen. Dazu kommen Schiffe, die im Sturm notfallmässig ankern müssen und den Anker am Meeresgrund mitschleppen. Ebenso Seebeben wie unlängst vor Taiwan, was einem grossen Teil Ostasiens während mehrerer Wochen eine schlechtere Internetqualität bescherte. Auch im Suezkanal wurden während eines Sturms schon Kabel von ankernden Schiffen zerrissen. In einem Fall hat auch schon ein Fisch ein Kabel zerbissen.

Verletzliche Kabel: Die nur zwei Zentimeter dicken Untersee-Internetkabel sind über weite Teile sehr verletzlich und werden nur in der Nähe des Festlandes mit dickeren Ummantelungen besser geschützt oder in Kabelkanäle aus Stahl oder Beton verlegt. Eine kritische Stelle sind auch die Wartungslöcher an den Landing Stations, die sogenanntes «Manholes», wo die Kabel an Land auftauchen.

Robustes Gesamtsystem: Trotz der filigranen Kabel sei das Kabelsystem als Ganzes erstaunlich stabil, bilanziert SRF-Digitalredaktor Berger. Denn dank der Internet-Technologie können Daten auch sehr schnell umgeleitet werden, wenn ein Kabel ausfällt. Die Kabel würden insgesamt bestmöglich geschützt, ohne dass riesige Mehrkosten anfallen, sagt Berger.

Kein Geheimnis: Viele dieser Kabel sind zudem nicht geheim und zum Teil in Seekarten verzeichnet, damit an kritischen Stellen etwa keine Schleppnetze verwendet werden. Die Kabel führen oft entlang Jahrtausende alter Handelsrouten. Schon damals flossen dank der Seefahrt Informationen – einfach viel langsamer und nicht wie heute in ein paar hundert Millisekunden rund um die Welt.

SRF 4 News, 03.05.2022, 10:45 Uhr ; 

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