Zum Inhalt springen

Dank eines Schweizers Abdulrazak kann wieder sehen

Der syrische Flüchtlingjunge Abdulrazak drohte zu erblinden. Bis ein SRF-Zuschauer eine Augenoperation ermöglichte.

Abdulrazak ist ganz aufgeregt: «Onkel, Onkel, was soll ich zeichnen?» Der achtjährige Flüchtlingsjunge kann sich kaum halten vor Freude. «Ich habe eine 10 gemalt. Das kann ich gut, gell?» Ja, Abdulrazak kann das tatsächlich gut. Und dass er es gut kann, verdankt er einem Zuschauer der «Tagesschau» von SRF.

Der Schweizer Geschäftsmann hatte die Reportage über Abdulrazak gesehen, in welcher der Vater des Jungen geschildert hatte, wie Abdulrazak nach einem Bombenangriff im syrischen Idlib sein Augenlicht zu verlieren drohte, dass er eine dringende Operation bräuchte, aber dass die Grenzen zur rettenden Türkei wegen Covid19 geschlossen seien. Daraufhin setzte der Mann alle Hebel in Bewegung, um dem Jungen zu helfen. Und er konnte helfen.

Ramadan-Ende verzögert Operation

Zunächst liessen die türkischen Behörden Abdulrazak und seinen Vater über die eigentlich geschlossene Grenze in die Türkei einreisen. Dort sassen die beiden aber erneut fest: Während des grossen Zuckerfests zum Ende des Ramadans hatten die Behörden die Covid-Schutzmassnahmen drastisch verschärft und ein striktes Reiseverbot erlassen.

Doch die Zeit drängte: Abdulrazak hatte in Idlib eine notdürftige Augenoperation erhalten, die zwar nicht erfolgreich gewesen war, aber immerhin das Augenlicht für einen Monat bewahren half. Doch falls der Junge nicht innerhalb eines Monats erneut operiert würde, drohte er vollständig zu erblinden.

Hoffnung für das eine Auge

Mit Hilfe des türkischen Hilfswerks des «Internationalen Blauen Halbmonds» schafften es Abdulrazak und sein Vater nach Adana. «Kannst Du etwas sehen?» Die Ärzte in der lokalen Augenklinik untersuchen Abdulrazaks Augen. Der Junge deutet auf sein rechtes Auge: «Damit sehe ich etwas. Mit dem anderen Auge sehe ich nichts mehr.»

Das linke Auge ist nicht mehr zu retten. Doch für das rechte besteht Hoffnung. «Ich hoffe so sehr, dass Abdulrazak das Licht wieder sehen kann.» Vater Mohammad Abdu Deeb streicht seinem Sohn über den Kopf. «Deshalb habe ich ihn hergebracht. Es ist mein einziger Wunsch an Gott: dass er wieder sehen kann.»

Die Operation ist nicht ohne Risiko. Es kann sein, dass Abdulrazak erwacht und sein Augenlicht komplett verliert. Aber es ist die einzige Chance, wenigstens sein rechtes Auge zu retten.

Operation geglückt

Als Abdulrazak nach der Operation erwacht, ist er sichtlich verunsichert. Als der Arzt das Pflaster über seinem Auge entfernen will, wimmert Abdulrazak leise vor sich hin. Der Arzt hebt eine Hand: «Siehst du diese Hand? Komm, heb deine Hand und mach meine Bewegung nach. Kannst du das erkennen?»

Abdulrazak kann die Bewegungen des Arztes zwar erkennen, mehr jedoch nicht. «Im Moment kontrollieren wir noch nicht, wie er sieht, das machen wir erst nächste Woche. Am ersten Tag ist es wichtig zu beobachten, ob eine Infektion entsteht, ob der Augendruck steigt, ob seine Retina zusammengeklebt bleibt.» Huseyin Öksüz, der Augenarzt, ist jedoch zufrieden.

Abdulrazak kann wieder sehen

Eine Woche später der Test. Abdulrazak soll zeichnen. Und er kann sehen, auch wenn es ihm noch Mühe macht. Auch der Vater ist glücklich: «Wir sind so froh, haben wir die Operation gemacht. Sie scheint erfolgreich gewesen zu sein. Er kann sehen, er kann wieder selber gehen!» Abdulrazak selber ist sichtlich stolz. Und eben, aufgeregt. «Herr, Herr…», ruft er dem Arzt zu. «Wenn ich gross bin, will ich Doktor werden. So wie Sie!»

Tagesschau, 20.6.2020, 19:30

Meistgelesene Artikel