Erneut hat ein Premierminister Frankreichs das Handtuch geworfen. Sébastien Lecornu ist am Montag nach knapp vier Wochen von seinem Amt zurückgetreten.
Wie seinen Vorgängern wurde ihm unter anderem der Staatshaushalt und die Unfähigkeit Frankreichs, diesen zu sanieren, zum Verhängnis.
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Bild 1 von 6. Sébastien Lecornu war innerhalb von zwei Jahren der fünfte Premierminister Frankreichs. Bildquelle: Keystone / Stephane Mahe.
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Bild 2 von 6. François Bayrou regierte mit einer Minderheitsregierung und trat nach einem verlorenen Misstrauensvotum zurück. (Amtszeit: 13. Dezember 2024 bis 9. September 2025) . Bildquelle: Keystone / Ludovic Marin .
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Bild 3 von 6. Michel Barnier wurde nach einem Misstrauensvotum im Parlament gestürzt. (Amtszeit: 5. September bis 13. Dezember 2024). Bildquelle: Keystone / Euler.
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Bild 4 von 6. Bei den vorgezogenen Neuwahlen 2024 verlor das Mitte-Lager deutlich. Der Macron-Vertraute Gabriel Attal trat daraufhin von seinem Amt zurück. (Amtszeit: 9. Januar 2024 bis 5. September 2024). Bildquelle: KEYSTONE/CHRISTOPHE PETIT TESSON.
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Bild 5 von 6. Élisabeth Borne ist auf Wunsch von Emmanuel Macron wegen politischer Unruhen aufgrund eines Immigrationsgesetzes zurückgetreten. (Amtszeit: 16. Mai 2022 bis 9. Januar 2024). Bildquelle: Keystone / Olivier Matthys.
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Bild 6 von 6. Jean Castex trat nach der Wiederwahl von Präsident Macron zurück, um, wie er sagte, «neuen Schwung» in der Regierung zu ermöglichen. (Amtszeit: 3. Juli 2020 bis 16. Mai 2022). Bildquelle: Keystone / Francois Mori.
Seit Jahren lebt Frankreich über seine Verhältnisse. Mit einem Schuldenberg von 3.3 Billionen Euro (114 Prozent des BIP) weist das Land in absoluten Zahlen die höchste Staatsverschuldung der Eurozone auf.
Diese Defizitpolitik habe sich vor allem während der Coronapandemie verstärkt, weiss René Hermann, Experte für Länderrisiken bei der Independent Credit View. «Im Gegensatz zu anderen Ländern hat Frankreich die eingeführten Sondermassnahmen nicht wieder zurückgefahren, sondern sie wurden permanent.»
Wie Frankreich aus der Schuldenkrise wieder herausfindet, ist derzeit unklar. Jüngste Entlastungsmassnahmen für den Staatshaushalt scheiterten. So etwa die Abschaffung von Feiertagen wie auch eine Reichensteuer, die Mehreinnahmen hätten genieren sollen.
«Jegliche Sparbemühungen werden nicht umgesetzt, sondern vom Volk boykottiert und vom Markt abgestraft», sagt Hermann und fügt hinzu: «Frankreichs Politik schafft es nicht, der Bevölkerung die notwendigen Einschnitte näherzubringen.»
Der externe Druck fehlt
Andere Länder wie Portugal, Spanien oder Griechenland haben ihren Staatshaushalt in den letzten Jahren in den Griff gekriegt. Dies allerdings nur durch einschneidende Massnahmen.
Im Gegensatz zu ihnen fehle bei Frankreich der externe Druck, sagt Hermann. «In Portugal war der Marktzugang verwehrt. Das heisst, man konnte sich nicht mehr selber refinanzieren, war auf externe Gelder angewiesen und wurde von der Troika auf harte Massnahmen getrimmt.»
Durch die Troika habe die Politik auch eine Entschuldigung gehabt, weshalb damals habe gespart werden müssen. «Das heisst, extern wurde auferlegt, dass man sparen musste», so Herrmann.
Das sei in Frankreich noch nicht der Fall. Zudem sei der Marktzugang immer noch gegeben. «Für Frankreich wird er langsam etwas teurer, ist aber immer noch finanzierbar.»
Dringende Reformen sind gefragt
Dies hat zur Folge, dass in Frankreich weiterhin mehr ausgegeben als eingenommen wird. Die künftige Regierung müsse dringende Reformen durchsetzen, so Hermann. «Wichtig ist, dass man den ganzen Wohlfahrtsstaat überholt. Dass man sich überlegt, wo man sparen kann und wie gross der Staat sein soll.»
Denn Frankreich habe im Vergleich zu anderen Ländern den grössten Staatsapparat. «Auf der anderen Seite ist es notwendig, neue Einnahmen zu generieren, das heisst, die Steuern zu erhöhen, sodass es wieder einen ausgeglichenen Haushalt gibt.»
In Frankreich ist jedoch der Druck geringer, Reformen konsequent durchzuziehen. Denn als zweitgrösste Volkswirtschaft hat das Land für die EU und die Eurozone mehr Gewicht als frühere Krisenländer. So besteht die Gefahr, dass der Schuldenberg auch unter der nächsten Regierung wachsen wird.