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Dauerkrise in Paris Warum Frankreich seinen Schuldenberg nicht in den Griff bekommt

Ein abgetretener Premierminister, ein riesiger Schuldenberg und keine Aussichten auf Wirtschaftsreformen: Frankreich steckt derzeit in der Krise. Was der «Grande Nation» fehlt, um dort wieder herauszufinden, weiss ein Experte für Länderrisiken.

Erneut hat ein Premierminister Frankreichs das Handtuch geworfen. Sébastien Lecornu ist am Montag nach knapp vier Wochen von seinem Amt zurückgetreten.

Wie seinen Vorgängern wurde ihm unter anderem der Staatshaushalt und die Unfähigkeit Frankreichs, diesen zu sanieren, zum Verhängnis.

Seit Jahren lebt Frankreich über seine Verhältnisse. Mit einem Schuldenberg von 3.3 Billionen Euro (114 Prozent des BIP) weist das Land in absoluten Zahlen die höchste Staatsverschuldung der Eurozone auf.

Diese Defizitpolitik habe sich vor allem während der Coronapandemie verstärkt, weiss René Hermann, Experte für Länderrisiken bei der Independent Credit View. «Im Gegensatz zu anderen Ländern hat Frankreich die eingeführten Sondermassnahmen nicht wieder zurückgefahren, sondern sie wurden permanent.»

Wie Frankreich aus der Schuldenkrise wieder herausfindet, ist derzeit unklar. Jüngste Entlastungsmassnahmen für den Staatshaushalt scheiterten. So etwa die Abschaffung von Feiertagen wie auch eine Reichensteuer, die Mehreinnahmen hätten genieren sollen.

«Jegliche Sparbemühungen werden nicht umgesetzt, sondern vom Volk boykottiert und vom Markt abgestraft», sagt Hermann und fügt hinzu: «Frankreichs Politik schafft es nicht, der Bevölkerung die notwendigen Einschnitte näherzubringen.»

Der externe Druck fehlt

Andere Länder wie Portugal, Spanien oder Griechenland haben ihren Staatshaushalt in den letzten Jahren in den Griff gekriegt. Dies allerdings nur durch einschneidende Massnahmen.

Im Gegensatz zu ihnen fehle bei Frankreich der externe Druck, sagt Hermann. «In Portugal war der Marktzugang verwehrt. Das heisst, man konnte sich nicht mehr selber refinanzieren, war auf externe Gelder angewiesen und wurde von der Troika auf harte Massnahmen getrimmt.»

Das ist die Troika

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Troika bezeichnete während der europäischen Schuldenkrise eine Kooperation aus drei Institutionen, die überschuldete Eurostaaten unterstützte:

  • Die Europäische Kommission vertrat die politischen Vorgaben der EU und kontrollierte, ob die Länder ihre Sparziele einhielten.
  • Die Europäische Zentralbank (EZB) prüfte die finanzielle Stabilität der Länder und die Auswirkungen auf den Euro.
  • Der Internationale Währungsfonds (IWF) brachte Fachwissen ein und stellte einen Teil der Kredite bereit.

Die Troika verhandelte mit EU-Ländern wie Griechenland, Irland, Portugal oder Zypern über Hilfspakete und Kredite, um die Staatsfinanzen zu stabilisieren. Sie forderte Spar- und Reformprogramme, die als Gegenleistung umgesetzt werden mussten. Gleichzeitig überwachte sie, ob die Länder ihre Verpflichtungen einhielten.

Mit Beginn der Verhandlungen über ein drittes Kreditprogramm für Griechenland wurde die Troika im Juli 2015 durch die Quadriga ersetzt. Das Gremium wurde mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ergänzt und verhandelt weiterhin mit Staaten, die sich in Zahlungsschwierigkeiten befinden.

Durch die Troika habe die Politik auch eine Entschuldigung gehabt, weshalb damals habe gespart werden müssen. «Das heisst, extern wurde auferlegt, dass man sparen musste», so Herrmann.

Das sei in Frankreich noch nicht der Fall. Zudem sei der Marktzugang immer noch gegeben. «Für Frankreich wird er langsam etwas teurer, ist aber immer noch finanzierbar.»

Dringende Reformen sind gefragt

Dies hat zur Folge, dass in Frankreich weiterhin mehr ausgegeben als eingenommen wird. Die künftige Regierung müsse dringende Reformen durchsetzen, so Hermann. «Wichtig ist, dass man den ganzen Wohlfahrtsstaat überholt. Dass man sich überlegt, wo man sparen kann und wie gross der Staat sein soll.»

Denn Frankreich habe im Vergleich zu anderen Ländern den grössten Staatsapparat. «Auf der anderen Seite ist es notwendig, neue Einnahmen zu generieren, das heisst, die Steuern zu erhöhen, sodass es wieder einen ausgeglichenen Haushalt gibt.»

In Frankreich ist jedoch der Druck geringer, Reformen konsequent durchzuziehen. Denn als zweitgrösste Volkswirtschaft hat das Land für die EU und die Eurozone mehr Gewicht als frühere Krisenländer. So besteht die Gefahr, dass der Schuldenberg auch unter der nächsten Regierung wachsen wird.

Tagesschau, 7.10.2025, 19:30 Uhr; sten

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