Lanciert hat die Idee des Grunderbes für alle Carsten Schneider. Der SPD-Politiker ist Beauftragter der deutschen Regierung für Ostdeutschland. Als solcher wolle er etwas tun gegen das Problem der ungleichen Chancen beim Start ins Erwachsenenleben, sagte er im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR).
20'000 Euro für alle jungen Erwachsenen. Auch für diejenigen aus reichem Haus, die dereinst noch viel mehr erben dürften. Finanziert durch eine Erhöhung der Erbschaftssteuern: In der Schweiz ist diese Idee noch nicht angekommen. Aber, meint der Lausanner Volkswirtschaftsprofessor Marius Brülhart: «Es ist eine reizvolle Idee. Es hat Aspekte daran, die prüfenswert sind. Die Idee ist technisch und finanziell machbar.»
Mit Steuerniveau von 1990 machbar
Ob sie deshalb wünschbar sei, stehe auf einem anderen Blatt. Doch umsetzbar wäre sie: «Es würde ausreichen, die Erbschaftssteuerbelastung wieder aufs Niveau zu bringen, das wir 1990 hatten. Damals war sie im Schnitt etwa doppelt bis dreimal so hoch wie heute. So würde man ungefähr die Beträge einnehmen, die es brauchen würde, um jedem und jeder 18-Jährigen 20'000 Franken auszuzahlen.»
Etwa zwei Milliarden Franken jährlich wären dies. «Es herrscht unter Ökonomen ein ziemlich grosser Konsens, dass die Erbschaftssteuer eines der kleinsten Übel ist unter allen Steuerarten, weil sie die Anreize zur wirtschaftlichen Leistung kaum schmälert», so Brülhart.
Es herrscht unter Ökonomen ein ziemlich grosser Konsens, dass die Erbschaftssteuer eines der kleinsten Übel ist unter allen Steuerarten.
Doch er sieht auch kritische Aspekte am Grunderbe für alle, wie es in Deutschland diskutiert wird. So etwa, dass es allen ausbezahlt würde. Egal, ob sie es bräuchten oder nicht. «Aus liberaler Sicht sollte es frei verwendet werden können, da jeder selbst am besten weiss, was gut für ihn ist.» Politisch sei das schon schwieriger, «etwa wenn dann herauskäme, dass sich damit viele junge Leute schicke Autos kaufen oder Ferien machen».
Auszahlung bei Volljährigkeit zu spät
Vor allem aber bemängelt Brülhart, dass das Geld erst mit 18 ausbezahlt würde. Denn: «Es gibt Forschungsresultate, die darauf hindeuten, dass man möglichst jung ansetzen soll, wenn man Startchancen ausgleichen will. Fördert man Menschen schon im Kindergartenalter, erreicht man mehr pro Steuerfranken, als wenn man erst bei 18-Jährigen ansetzt.»
Dass man mit 20'000 Franken mehr auf dem Konto mehr herausholen könnte, wage ich zu bezweifeln.
Politikerinnen wie FDP-Nationalrätin Petra Gössi äussern ähnliche Vorbehalte. «Einen guten Start ins Leben können Sie nicht erreichen mit ein bisschen mehr Geld auf dem Konto.» In der Schweiz müsse niemand auf eine gute Ausbildung verzichten, bloss weil das Geld dafür fehle.
«In der Regel ist es kein Problem, eine Ausbildung zu bekommen, wenn man die Voraussetzungen mitbringt. Über die Stipendien sind wir in der Schweiz sehr gut aufgestellt. Dass man mit 20'000 Franken mehr auf dem Konto mehr herausholen könnte, wage ich zu bezweifeln.»
Wer Eltern mit universitärem Bildungsabschluss hat, hat eine siebenmal höhere Chance, auch an der Universität einen Abschluss zu machen.
Das bestreitet SP-Nationalrätin Samira Marti. Die Startchancen seien auch hier immer noch ungleich verteilt. Doch auch sie meint, man müsse früher ansetzen als am 18. Geburtstag. «Wir wissen: Wer Eltern mit universitärem Bildungsabschluss hat, hat eine siebenmal höhere Chance, auch einen Universitätsabschluss zu machen. Und diese Ungleichheit manifestiert sich bereits während der Bildung, während des Kindergartens. Da müsste man Abhilfe schaffen.»
Skeptische Töne also von links und rechts beim Thema Grunderbe für alle. Doch die Diskussion darüber hat gerade erst begonnen.