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Debatte in Deutschland «Rechtsextreme» AfD: Was es für ein Verbot der Partei bräuchte

Der Verfassungsschutz stuft die AfD als «gesichert rechtsextremistisch» ein. Der Weg zu einem Verbot wäre allerdings weit.

Jetzt ist es amtlich: Die AfD ist «gesichert rechtsextremistisch». Zu dieser Beurteilung kommt der deutsche Verfassungsschutz. Nun läuft die Diskussion: Soll die Partei verboten werden? Und welche Hürden müssten dafür genommen werden?

Generell gilt: Ein Parteiverbot ist in Deutschland ein schwieriges Unterfangen. Ursula Münch, Politologin und Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, spricht von einem «zu Recht sehr umständlichen Verfahren» – und schlüsselt es für SRF auf.

1. Die Justiz entscheidet – nicht die Politik

Im Grundgesetz – also der deutschen Verfassung – ist das «Parteienprivileg» verankert. Demnach kann eine Partei nicht einfach durch die Exekutive verboten werden. Ein Verbot verlangen können die Regierung, das Parlament und der Bundesrat, indem die Bundesländer vereint sind. Ein Verbotsverfahren wäre dann aber Sache der Justiz: Entscheiden würde das Bundesverfassungsgericht.

AfD-Landesparteitag in Sachen Anhalt
Legende: Laut einer Umfrage ist über die Hälfte der Deutschen für ein Verbot. Gleichzeitig ist die AfD die mit Abstand stärkste Oppositionspartei im Bundestag – und war in Umfragen von Anfang April sogar stärkste Partei im Land. Keystone/DPA/Peter Gercke

2. «Rechtsextrem» reicht nicht für ein Verbot

Allein eine extremistische Gesinnung reicht noch nicht aus, um eine Partei zu verbieten. Artikel 21 des Grundgesetzes definiert, auf welcher Grundlage ein Verbot erfolgen kann:

Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

Und: Die betreffende Partei muss sich in «aktiv-kämpferischer Weise für die Abschaffung der Demokratie einsetzen.» Worte allein reichen also nicht für ein Verbot. Zudem kann eine Partei nur verboten werden, wenn sie auch eine Chance hat, ihre verfassungsfeindlichen Ziele durchzusetzen.

Bundesverfassungsrichter in Karlsruhe.
Legende: Vor acht Jahren scheiterte ein Verbot der NDP daran, dass die Partei schlicht zu klein war: Das Bundesverfassungsgericht sah keine Anhaltspunkte dafür, dass sie ihre verfassungsfeindlichen Ziele durchsetzen konnte. Keystone/DPA/Uli Deck

3. Die Mühlen der Justiz mahlen langsam

Bis die Justiz einen Entscheid fällt, dürfte es mehrere Jahre dauern, schätzt Münch. «Ein Blick ins Parteiprogramm wird nicht genügen und neben der Einschätzung des Verfassungsschutzes wird das Bundesverfassungsgericht noch weitere Quellen brauchen.» Ein langwieriges Verbotsverfahren würde der AfD auch Gelegenheit geben, sich als «Opfer der Kartellparteien» darzustellen, sagt Münch. Mit dieser Erzählung könnte sie noch verstärkt auf Wählerfang gehen.

Die Lehren aus der Nazi-Zeit

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Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt.
Legende: Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Keystone/AP/STR

Die Hürden für ein Parteiverbot sind in der Bundesrepublik Deutschland hoch. Laut der Politologin ist das auch eine Lehre aus der Nazi-Zeit. So schalteten die Nationalsozialisten sofort nach der Machtergreifung jedwede Opposition aus: Mit Ausnahme der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) wurden alle Parteien verboten. Andersdenkende und politische Gegner wurden brutal verfolgt, vertrieben und in Konzentrationslager geschickt. Deswegen hätten die Väter und Mütter des Grundgesetzes ein kompliziertes und langwieriges Verfahren für ein Parteiverbot erdacht, erklärt die Politik-Professorin Ursula Münch.

4. Die Folgen eines Verbots

Sollte es zu einem Verbot kommen, würden AfD-Abgeordnete in den Landesparlamenten und im Bundestag in Berlin umgehend ihre Mandate verlieren und das Parteivermögen würde eingezogen. «Die Partei würde in all ihren Gliederungen aufgelöst», erklärt Münch. Bis zum Ende der jeweiligen Legislatur in den Parlamenten blieben die Sitze der AfD-Abgeordneten leer. Wählen könnte man die Partei nicht mehr. Ihre Gesinnung würde mit einem Verbot aber nicht verschwinden, sagt die Politologin. «Es dürfte dann Versuche geben, eine neue AfD unter anderem Namen zu gründen.»

5. Die Partei geht, die Gesinnung bleibt

Am 23. Februar haben über zehn Millionen Wahlberechtigte in Deutschland der AfD ihre Stimme gegeben. Auch ihnen kann man die Gesinnung nicht einfach verbieten. Kritikerinnen und Kritiker eines Verbots argumentieren, dass die Partei schlicht zu gross sei, um sie zu verbieten. Münch macht darauf aufmerksam, dass sich die AfD-Wählerschaft durch ein Verbot der Partei radikalisieren könnte. Die politischen Folgen eines Verbots würden für das Bundesverfassungsgericht aber keine Rolle spielen, sagt Münch. Es müsste sich einzig mit der Frage befassen, wie gefährlich die AfD ist.

Verbieten oder nicht? Die Meinung der Politologin

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Ursula Münch.
Legende: Ursula Münch. Imago Images/Jürgen Heinrich

Bei der Frage, ob man die AfD verbieten sollte, ist Politologin Münch hin- und hergerissen. «Die Art und Weise, wie die AfD Extremismus verbreitet, ist besorgniserregend. Gerade mit Blick auf ihre Aktivitäten in den sozialen Medien.»

Sollte man den langwierigen Weg für ein Verbot beschreiten, sähe sie darin aber auch eine Chance für die Bundesrepublik, sich als wehrhafte Demokratie zu beweisen. «Gleichzeitig würde das aber ein gewisses Risiko bergen.»

Letztlich sei es aber auch Aufgabe der «seriösen politischen Kräfte in Deutschland, wieder besser zu regieren, um die Leute von dieser extremistischen Partei wegzubringen.»

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SRF 4 News, 5.5.2025, 17:15 Uhr ; 

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