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Debatte ums Kanzleramt «Konservative wollen Merkel lieber heute als morgen absägen»

Angela Merkel soll ihr Amt als Bundeskanzlerin möglichst bald an CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer abtreten. Das forderte am Wochenende die Werteunion – eine besonders konservative Gruppe innerhalb von CDU und CSU. Für Marcel Heberlein von der ARD hängt der Verbleib Merkels im Amt vor allem von den anstehenden Wahlen im Herbst ab.

Marcel Heberlein

Journalist

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Marcel Heberlein hat an der Freien Universität Berlin Politologie studiert und berichtet seit 2017 für die ARD aus dem deutschen Hauptstadtstudio.

SRF News: Ist ein fliegender Wechsel von Angela Merkel zu Annegret Kramp-Karrenbauer als Kanzlerin eine ernsthafte Option?

Kramp-Karrenbauer langsam als Nachfolgerin von Merkel aufzubauen, ist auf jeden Fall in den Köpfen vieler in der CDU und der CSU eine Option. Die Frage ist, wann dieser Übergang stattfinden wird. Man muss sich vor Augen halten, dass Kramp-Karrenbauer erst seit drei Monaten CDU-Chefin ist.

Merkel steht quasi über den Parteien. Vielleicht auch, weil sie nicht mehr CDU-Chefin ist.

Viele erachten den Wechsel ins Kanzleramt als zu früh. Auch Kramp-Karrenbauer selber hat gesagt, sie sehe in der Union zurzeit keine relevanten Stimmen, die sich damit befassen. Sie weiss, dass die Mehrheit der Deutschen will, dass Merkel bis 2021 bleibt. Die Umfragewerte der Kanzlerin sind wieder gestiegen. Sie wirkt auf viele nun eher so wie eine Art Präsidentin. Sie steht quasi über den Parteien. Vielleicht auch, weil sie nicht mehr CDU-Chefin ist.

Sollte Merkel vorher gehen, droht die SPD mit dem Ende der Koalition. Wird sie die Drohung wahrmachen?

Man muss bedenken, wie die SPD überhaupt in die Koalition gekommen ist. Es war eine sehr unpopuläre Entscheidung innerhalb der Partei. Die SPD hat sich hingequält. Ihre Umfragewerte sind seit der Bundestagswahl 2017 gefallen; von 20-21 Prozent auf 15-16 Prozent. Also weshalb diesen Moment nicht nutzen, um die Koalition kippen zu lassen, wenn es bei der CDU einen Übergang von Merkel zu «AKK» gibt? Sonst würde man der CDU-Chefin gleich den Kanzlerinnen-Bonus für die nächste Wahl einräumen.

Was passiert, wenn die grosse Koalition zerfällt?

Dann könnte es Neuwahlen geben, oder Grüne und FDP könnten sich mit CDU und CSU zusammenraufen und nochmals eine Jamaika-Koalition versuchen. Die Frage ist, ob die Grünen das wollen. Denn deren Umfragewerte sehen sehr gut aus, und sie hätten wahrscheinlich mehr Lust auf Neuwahlen.

Wollen die Konservativen innerhalb der Union wirklich «AKK» als neue Kanzlerin? Oder wollen sie bloss Merkel loswerden?

Viele in der CDU haben sich für eine konservativere Chefin oder einen Chef ausgesprochen. Sie wollen Merkel lieber heute als morgen absägen, das ist nichts Neues. Nun versucht Kramp-Karrenbauer, auf diese Teile der CDU zuzugehen, indem sie sich in der Flüchtlingspolitik rhetorisch härter positioniert.

Man muss abwarten, was sie machen würde, wenn sie wirklich Kanzlerin wäre.

Auch in der Wirtschaftspolitik hat sie sich für Steuersenkungen offen gezeigt. Man muss aber abwarten, was sie machen würde, wenn sie wirklich Kanzlerin wäre. Das eine ist das, was man sagt, wenn man CDU-Chefin ist, und das andere ist, was man tut, wenn man entscheiden muss.

Die Werteunion sagt, die Koalition falle spätestens bei den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen im Herbst sowieso auseinander. Wie wahrscheinlich ist das?

Es kommt darauf an, wie die Wahlen ausgehen. Wenn die CDU in Sachsen weiter regieren kann, wenn auch ihr Ergebnis in Brandenburg gut ist, dann gibt es erst einmal keinen Grund, die Kanzlerin auszutauschen. Wenn es für die CDU allerdings schlecht läuft, dann braucht man vielleicht einen Sündenbock, und Merkel könnte ihrer Partei einen letzten Dienst erweisen. Aber am Ende müsste auch die SPD mitmachen. Und sie hat schon angekündigt, dass es dann eher auf Neuwahlen hinauslaufen würde.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

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