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Steckt die westliche Demokratie in einer Krise?
Aus Echo der Zeit vom 14.08.2019. Bild: Keystone
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Demokratie im Westen «Die Menschen sind nach wie vor von der Idee überzeugt»

Die Demokratie sei in der Krise, hört man oft – auch im Westen. Stimmt das? Der Politologe Hans Vorländer findet: Die Menschen sind nach wie vor von der demokratischen Idee überzeugt. Doch Globalisierung und Social Media können das System zuweilen herausfordern.

Hans Vorländer

Hans Vorländer

Politologe

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Der deutsche Politikwissenschaftler ist Professor für politische Theorie an der Technischen Universität Dresden. Er ist dort zudem Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung.

SRF News: Welches ist für Sie die beste Demokratie der Welt?

Hans Vorländer: Die beste Demokratie ist ein repräsentatives, liberales Demokratiemodell, das sich in den europäischen und nordatlantischen Regionen über Jahrhunderte entwickelt hat. Es vermag zwei Dinge miteinander zu vereinbaren: Es schafft Selbstbestimmung und den Schutz der Grund- und Menschenrechte.

Norwegen besetzt auf der Demokratieskala der Nichtregierungsorganisation Freedom House einen der ersten Plätze. Ist das für Sie nachvollziehbar?

Ja, obwohl ich die Unterschiede zwischen den einzelnen Spitzenländern nicht überzeichnen würde. Man muss immer die Kontexte sehen: Norwegen ist ein relativ homogenes Land, das wegen fossiler Vorkommen ökonomisch gut dasteht und am Rande von geopolitischen Verwerfungen liegt. Die Voraussetzungen sind also praktisch optimal.

Freedom House stellt in seinem jährlichen Report fest, dass die Demokratiewerte in fast allen Staaten kontinuierlich sinken. Dafür sei die Globalisierung verantwortlich. Stimmt das?

Die Globalisierung hat unterschiedliche Auswirkungen. Sie führt dazu, dass sich transnationale Regime entwickeln. Das heisst, Probleme und Entscheidungen werden ausgelagert. Die Bürger sehen dann nicht mehr, wo die Entscheidung stattfindet. Und sie wissen auch nicht mehr, wen sie dafür verantwortlich machen müssen.

Probleme und Entscheidungen werden durch die Globalisierung ausgelagert.

Durch die Globalisierung findet zudem ein hoher Austausch an Gütern, Dienstleistungen und Personen statt. Das verändert die Situation in den nationalstaatlich organisierten Demokratien. Und es führt zu hohen Wanderungsbewegungen, was wir in Europa durch die Niederlassungsfreiheit und die Personenfreizügigkeit sehr deutlich vernehmen.

Haben Social Media der Demokratie geschadet?

Leider sind die sozialen Medien wie fast alles höchst ambivalent. Einerseits sind sie Medien, um oppositionelle Gruppen zu mobilisieren und zum Widerstand anzuregen. Das gilt vor allem für semi-demokratische oder semi-autoritäre Regime. Hier gibt es viele Möglichkeiten, die Demokratisierungsprozesse zu befördern.

Durch Social Media sehen wir immer wieder emotionale Aufwallungen, die die Demokratie zu einer Empörungsveranstaltung werden lassen.

Umgekehrt hat sich durch Social Media die Meinungsbildung sehr stark verändert. Die Öffentlichkeit hat sich dadurch immer stärker fragmentiert. Durch Social Media sehen wir immer wieder emotionale Aufwallungen und Stimmungen, die die Demokratie hie und da zu einer Empörungsveranstaltung werden lassen. Das macht uns Sorgen, weil es die Demokratie sehr labil, volatil und stimmungsanfällig werden lässt.

Frauen demonstrieren in Ägypten gegen Mursi
Legende: «Social Media kann Demokratisierungsprozesse befördern», sagt Politologe Vorländer. Im Bild: Proteste in Ägypten während des Arabischen Frühlings, 2012. Keystone/Archiv

Vielerorts wird der Ruf nach starken Anführern lauter. Verliert die Demokratie an Rückhalt im Westen?

Dieses Gefühl kann man haben. Allerdings sind Menschen nach wie vor von der Idee der Demokratie überzeugt. Sie haben aber zunehmend Zweifel, was die Funktionsfähigkeit der Demokratien angeht. Das hat mit hohen Erwartungen an die Demokratie zu tun – und der täglichen Erfahrung, dass Demokratien schwerfällig sind und man nicht alle Probleme, die im Augenblick als besonders bedrohlich wahrgenommen werden, erledigen kann. Der Problemstau ist gross. Das liegt aber nicht allein an der Demokratie, sondern an den Veränderungen, denen sich Demokratien gerade unterziehen und an dem ganz anderen Gerüst öffentlicher Meinungsbildung.

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

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