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Deutsche Politik «Wir haben eine grosse Unruhe in der CDU/CSU-Fraktion»

In neuesten Umfragen hat die Alternative für Deutschland AfD entweder gleich viel Zustimmung wie die Union (CDU und CSU) oder zwei Prozentpunkte weniger. Die anderen Parteien wie SPD und Grüne sind weit abgeschlagen. Deshalb fragen sich einzelne Politiker, ob der Zeitpunkt gekommen sei, um vereinzelt doch mit der AfD zu reden. Wolfgang Schröder, Politologieprofessor in Kassel, glättet die Wogen.

Wolfgang Schröder

Politologe

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Wolfgang Schröder ist Professor an der Universität in Kassel. Er lehrt und forscht auf dem Fachgebiet «Politisches System der Bundesrepublik Deutschland». Der Politologe gehört der Grundwertekommission der SPD an. Von 2009 bis 2014 war er Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Brandenburg.

SRF News: Wieso kommt der Vorschlag, vielleicht besser doch mit der AfD zusammenzuarbeiten, genau jetzt?

Wolfgang Schröder: Wir haben eine grosse Unruhe in der CDU/CSU-Fraktion. Einzelne glauben, dass man diese Form der Brandmauer nicht weiter praktizieren kann. Dazu trägt auch die Unzufriedenheit mit der Koalition und die Unzufriedenheit mit der eigenen Parteiführung bei, in die man wenig Vertrauen setzt. Dazu hat sicherlich die 180-Grad-Wende bei der Schuldenbremse und die schlechte Organisation bei der Richternachfolge beigetragen. Die Union ist augenblicklich in einem nervösen Zustand.

Wenn die AfD in Sachsen-Anhalt 40 Prozent der Stimmen holt, könnte sie den Ministerpräsidenten oder die -präsidentin stellen. Was dann?

Ich halte das nach wie vor für unwahrscheinlich. Die Umfragen, die wir gegenwärtig auf der Länderebene sehen, bilden die Schlechtwetterlage des Bundes ab. Sie sind aber kein authentisches Abbild dessen, was auf Länderebene passiert. Doch wenn dies eintreten sollte, haben wir eine neue Lage.

Der Deutsche Bundestag mit Verwischungsunschärfe
Legende: Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz will gegenüber der AfD einen härteren Kurs fahren – und dennoch hat er beim Thema Migration die Stimmen der AfD akzeptiert. Reuters/Annegret Hilse

Was würde das bedeuten?

Dann müsste neu darüber nachgedacht werden, wie man mit diesem Akteur umgeht. Unter den Bedingungen einer mehrheitlichen AfD-Regierung bedeutet dies, dass man sich der Kooperation nicht ganz wird entziehen können. Aber auch da gibt es Möglichkeiten, die nicht einfach als Automatismus zu werten sind.

Alice Weidel von seitlich hinten auf dem Bild mit Friedrich Merz
Legende: Der deutsche Kanzler Merz im Gespräch mit der Co-Fraktionsvorsitzenden der AfD, Alice Weidel. Keystone/Hannibal Hanschke/Archiv

Bundeskanzler Friedrich Merz will einen härteren Kurs gegenüber der AfD. Was heisst das?

Das will er eigentlich schon immer. Er ist angetreten, um die AfD zu halbieren und mit ihr weder eine indirekte noch eine direkte Kooperation einzugehen. Er stützt sich dabei auf eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung, die verdeutlicht, dass die Kooperation von gemässigt konservativen Parteien mit rechtspopulistisch/rechtsextremen Parteien am Ende den Gemässigten schaden.

Und doch hat Merz beim Thema Migration die Stimmen der AfD im Bundestag akzeptiert. Wie passt dies zusammen?

Er hat geglaubt, dass man das Thema Migration zur eigenen Sache machen kann. 

Wir wissen aus der Forschung, dass Parteien nicht einfach Themen anderer Parteien übernehmen können.

Wir wissen aber aus der Forschung, dass Parteien nicht einfach Themen anderer Parteien übernehmen können. Im Gegenteil, wenn man das versucht, ist das meistens Wasser auf die Mühlen der Partei, die das sogenannte Ownership in dem Themenbereich haben. Da hat er sich komplett verkalkuliert. Sein Verhalten hat dazu geführt, dass er ungefähr drei bis fünf Prozent weniger Wähler erreicht hat, als er hätte erreichen können, wenn er bei seiner Themenorientierungen geblieben wäre.

Wie kommt diese Diskussion um die AfD bei der bürgerlichen Wählerschaft an?

Sie spaltet sie komplett. Das ist das Tragische dieser Entwicklung. 

Der Teil, der die Abgrenzung zur AfD aufgeben will, ist ein kleiner Teil, es sind vielleicht 20 Prozent.

Wenn die Union in Richtung AfD gehen würde, dann würde die Union mehr die Union sein, die wir kennen. Es würde zudem zum Auszug des aufgeklärten, bürgerlich-demokratischen Teils führen. Der Teil, der die Abgrenzung zur AfD aufgeben will, ist ein kleiner Teil, es sind vielleicht 20 Prozent. Das würde ein verheerendes Signal in die bürgerliche Mitte senden. Die Union wäre am Ende das Opfer.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovitch.

Rendez-vous, 17.101.2025, 12:30 Uhr ; 

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