In Deutschland sind kurz vor Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen (NRW) mehrere Politiker der AfD verstorben. Laut Polizei gibt es bei keinem der sechs Fälle Hinweise auf Fremdeinwirkung. Trotzdem werden in der AfD Stimmen laut, dass das kein Zufall sein könne. Ein Kader der AfD sagte gegenüber Medien, man wolle die Fälle prüfen, «ohne gleich in ein verschwörungstheoretisches Fahrwasser zu kommen». Claudia Kade ist Politik-Chefin bei der deutschen Zeitung «Welt» und ordnet die Geschehnisse ein.
SRF News: Wie beurteilen Sie den Umgang der AfD-Parteispitze mit diesen Todesfällen?
Die AfD-Parteispitze verfährt so wie in ihrem gesamten Auftreten. Es gibt sowohl moderate Töne wie den, dass man erst die Hintergründe der Todesfälle prüfen wolle. Aber es gibt auch die andere Seite.
Da gibt es beispielsweise die Parteivorsitzende Alice Weidel, die ein Posting auf X verbreitet hat, in dem ein Wissenschaftler sagt, dass diese Häufung von Todesfällen statistisch sehr auffällig und nicht zu erklären sei. Auch der Vize-Parteichef der AfD sagt, er glaube nicht an reinen Zufall. Die AfD spielt mit verteilten Rollen. Das macht sie auch inhaltlich: mal extremistisch, mal moderat bürgerlich, stramm konservativ, um möglichst ein breites Spektrum anzusprechen.
Die AfD bezweckt damit womöglich das, was sie auch sonst gerne macht, nämlich eine Art Opfererzählung zu generieren.
Um das kurz klarzustellen: Dass das statistisch ungewöhnlich ist, dafür gibt es keine Belege, das ist eine Behauptung ...
Ja. Die Wahlleitung von NRW hat bestätigt, dass es in den vergangenen Wochen über die verschiedenen Parteien verteilt mehrere Todesfälle gegeben haben soll, sodass auch bei anderen Parteien tatsächlich Kandidatinnen und Kandidaten verstorben sind. Es ist bisher eine reine Behauptung der AfD, dass das statistisch nicht zu begründen sei.
Auf der einen Seite wird ein bisschen abgewiegelt und auf der anderen Seite Zweifel gesät. Was bezweckt die AfD damit?
Die AfD bezweckt damit womöglich das, was sie auch sonst gerne macht, nämlich eine Art Opfererzählung zu generieren und zu zeigen, dass die anderen Parteien sie nicht nur ausgrenzen, sondern offenbar auch nach einer Demokratie nicht würdigen Spielregeln spielen.
Wenn die Polizei das äussert, muss das noch keinen bei der AfD überzeugen.
Die Polizei sagt klar: Es gibt keine Indizien für Fremdeinwirkung. Wie empfänglich sind die Wählerinnen und Wähler für diese Aussagen?
Ein grosser Teil von AfD-Anhängerinnen und -Anhängern hat durchaus das Vertrauen verloren in staatliche Institutionen und dürfte deshalb nicht viel darauf geben, wenn die Polizei von natürlichen Todesumständen spricht – oder auch in einem Fall um einen Suizid.
Es gibt aber auch Angaben aus der Partei selber, wonach die betroffenen Verstorbenen durchaus schwerwiegende Vorerkrankungen hatten. Und ein Kandidat soll an einem Herzinfarkt verstorben sein. Es gibt also durchaus gute Begründungen dafür, dass es sich hier nicht um Fremdverschulden handelt. Aber wenn die Polizei das äussert, muss das noch keinen bei der AfD überzeugen.
Ist das für diese Kommunalwahlen einfach ein Sturm im Wasserglas? Oder ist das tatsächlich ein grösseres Thema?
Stichworte um diese Vorfälle trenden in den Sozialen Medien, das heisst, sehr viele Nutzerinnen und Nutzer beschäftigen sich damit. Und man muss auch sagen: Die AfD steht in NRW vor einem historischen Triumph, wenn die Kommunalwahlen stattfinden.
Sie hat vor fünf Jahren noch ungefähr 5 Prozent der Wählerstimmen erreicht. Jetzt steht sie vor einer Verdreifachung, wenn man den Umfragen Glauben schenken kann. In mehreren grossen Städten werden den Kandidatinnen und Kandidaten Chancen eingeräumt.
Das Gespräch führte Nicolas Malzacher.