Zum Inhalt springen

Deutscher Fachkräftemangel Herr Leuthäuser und sein sehnlicher Wunsch nach Leere

In Deutschland fehlen rund 1.8 Millionen Fachkräfte. Das bremst den jetzt dringend nötigen Aufbruch weg von Öl und Gas.

Herr Leuthäuser mag den Blick in die vollkommene Leere. Wenn auf dem Parkplatz seiner Sanitär-Firma keine Lieferwagen stehen, dann weiss er: Jetzt wird Geld verdient. Doch seit langem stehen auf dem geteerten Platz vor der kleinen Firma in Berlin-Tempelhof vier Wagen, alle bestens ausgerüstet für Heizungskontrollen oder die Montage energiesparender Anlagen aller Art. Monteurinnen und Monteure, welche sie fahren könnten, findet Leuthäuser nicht.

Die bräuchte es jetzt aber, um die Energiewende zu schaffen, wegzukommen von Öl und Gas. Der Wille ist da, das Geld ist da – und am Ende scheitert alles daran, dass niemand Wärmepumpen installieren kann. Im Kanzleramt sorgt das für sehr furchige Sorgenfalten.

Überall fehlen Profis

Ralf Leuthäuser ist stellvertretender Obermeister der Berliner Innung «Sanitär Heizung Klempner Klima». Innungen sind hier in Deutschland Verbände des Gewerbes – und von überall her hört Ralf Leuthäuser dasselbe: Es fehlen Fachkräfte. Menschen, die Profis sind in ihrem Metier, den Beruf gelernt haben.

Doch irgendwie sind plötzlich alle weg. Sie gingen in Rente, machen etwas anderes, sind ausgewandert. Der Fachkräftemangel in Deutschland ist bedrohlich. «Wir müssen die Lehre aufwerten», sagt Ralf Leuthäuser – und es klingt ein bisschen verzweifelt. So lange sagt man das schon. Leuthäuser hat auch Geflüchtete aus Syrien beschäftigt. Das lief sehr gut – aber lösen konnte er das Problem damit auch nicht.

Also sagen die Experten: Es braucht Zuwanderung. Jedes Jahr eine halbe Million Menschen netto. Das macht brutto eineinhalb Millionen Menschen – denn in den letzten zehn Jahren ging jedes Jahr wieder eine Million Menschen aus Deutschland weg.

Wer nach Deutschland will, ist schon da

Eine halbe Million Menschen. Das wäre eine gewaltige Integrationsleistung. Vor allem auch, weil die Arbeitsmärkte in der EU erschöpft sind. Wer nach Deutschland will, ist schon da. Hoffnung macht da die mögliche EU-Erweiterung – neue Länder, neue Arbeitskräfte. Und natürlich Menschen aus Drittstaaten, von weiter weg. Sehr viel weiter weg, unter Umständen.

Und dann hat man sich vor Corona jahrelang in die Tasche gelogen. Schätzungen zufolge arbeiteten im Gesundheitsbereich 600'000 Menschen schwarz. Viele weitere Zehntausend auf Baustellen, im Gastgewerbe. Sie kaschierten den Fachkräftemangel, waren mehr oder weniger geduldet – weil gebraucht. Corona veränderte alles, Restaurants gingen pleite, die Illegalen verschwanden, sie erschienen in keiner Statistik.

Es wird ein langer Weg

Und jetzt fehlen sie. Es wird ein langer und schwieriger Weg für Politik und Gesellschaft, den Fachkräftemangel zu lindern – gerade in der Zuwanderungsfrage braucht es noch viel Überzeugungsarbeit.

Die Solardächer und Wärmepumpen und Holzschnitzelheizungen, die in der jetzigen Krise so dringend benötigt würden, werden dann künftige Facharbeiterinnen und Facharbeiter montieren.

In einer Zeit, in der der Parkplatz von Herrn Leuthäuser wieder leer ist.

Tagesschau, 3.8.22, 19:30 Uhr

Meistgelesene Artikel