Zum Inhalt springen

Deutscher Kanzler in China Wie Scholz' Besuch die Welt beruhigen soll

Chinas wirtschaftliche Entwicklung sorgt für Unsicherheit. Der Empfang des deutschen Kanzlers soll dem entgegenwirken.

Der deutsche Kanzler ist nach China gereist. In der Heimat führt das zu geharnischter Kritik – und sogar in der eigenen Regierungskoalition rumort es. Aber wie wichtig ist der Besuch aus chinesischer Perspektive? Und inwiefern profitiert Staats- und Parteichef Xi Jinping davon, dass Deutschland China den «Hof macht»?

«Scholz’ Besuch wirbelt hier deutlich weniger Staub auf als in Europa und allgemein im Westen», sagt Samuel Emch, SRF-Korrespondent in Schanghai. Während es im deutschen Blätterwald unüberhörbar raschelt, fand der Besuch des deutschen Regierungschefs in China im Vorfeld wenig Widerhall. «Die staatlich kontrollierten Medien berichteten nur vereinzelt darüber.»

Scholz bei den Gesprächen in Peking
Legende: Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz ist in Peking. Unter strengen Corona-Beschränkungen absolviert er seinen ersten Besuch als Kanzler in China. Bei seiner Ankunft gab es einen PCR-Test und einen Empfang von einem Pandemiehelfer in weissen Ganzkörperschutzanzug. Keystone/DPA/Kay Nietfeld

Ein Beispiel für das lauwarme mediale Interesse am hohen Besuch: Als der Kanzler am Freitagmorgen (Ortszeit) in Peking gelandet war, prangten zuoberst auf den Webseiten der Propaganda-Medien noch Fotos vom Treffen von Xi mit Tansanias Präsidentin. Auch sie war gerade zu Besuch in China. «Erst gegen Mittag tauchte nun auch Scholz medial auf», berichtet der SRF-Korrespondent.

Xi hat seine Macht am Parteikongress vom Oktober zementiert. In den sozialen Medien wird der hochrangige Besuch aus dem Westen als Zeichen gewertet, dass Scholz als Bittsteller nach Peking kommt. «Innenpolitisch hat Xi aber alle Organe und Gremien fest im Griff», sagt Emch. «Den Besuch des deutschen Kanzlers braucht er für die Legitimität seines Führungsanspruchs nicht.»

Scholz: China soll Einfluss auf Russland geltend machen

Box aufklappen Box zuklappen
Olaf Scholz (links) mit Xi Jinping in Peking.
Legende: Olaf Scholz (links) mit Xi Jinping in Peking. Keystone/DPA/Kay Nietfeld

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat China gebeten, seinen Einfluss auf Russland für ein Ende des Kriegs in der Ukraine geltend zu machen. Die Regierungen in Peking und Berlin seien sich einig, dass russische Drohgebärden mit Atomwaffen nicht akzeptabel seien, sagte Scholz bei einem Treffen mit Regierungschef Li Keqiang. Mit deren Einsatz würde Russland eine rote Linie überschreiten, die die Staaten der Welt gemeinsam gezogen hätten.

Scholz bezeichnete China als «grosses Land» mit Verantwortung für den Frieden in der Welt. Der Kanzler wies Kritik an seiner Reise zurück. In Zeiten der Krisen seien Gespräche noch wichtiger. Er begann seine Erklärung mit den Worten: «Es ist gut und richtig, dass ich heute hier in Peking bin.»

Xi Jinping ging in seinem Statement nicht auf Russland ein. Allerdings sprach der Präsident laut chinesischen Staatsmedien davon, dass China und Deutschland als grosse Nationen in diesen Zeiten von «Wandel und Aufruhr» zusammenarbeiten sollten.

Doch was will China konkret von Deutschland? Xi selbst blieb nach seinem ersten Treffen mit Scholz schwammig. China wolle die Zusammenarbeit mit Deutschland ausbauen. Er äusserte zudem die Hoffnung, dass der Besuch das gegenseitige Vertrauen und die Zusammenarbeit vertiefe.

Keine grossen Wellen geworfen

Box aufklappen Box zuklappen

«Die wenigen Medienberichte in China über den Besuch von Scholz waren positiv», sagt Korrespondent Samuel Emch. Der Besuch des Kanzlers sei dabei so ausgelegt worden, dass sich Scholz gegen die USA und deren Politik stelle, China zu isolieren und zurückzubinden. «Kritiker des Besuches hingegen werden kleingeschrieben als junge Politikerinnen und Politiker die China nicht kennen. Das ist sicher ein Seitenhieb an die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock die sich im Vorfeld des Besucht bekanntlich kritisch geäussert hatte.»

Aus deutscher Sicht habe Scholz in Peking versucht, zu erwirken, dass diese Wirtschaftsbeziehungen mit China, auf faire Wettbewerbsbedingungen gestellt werden, wie SRF-Korrespondentin Simone Fatzer in Berlin feststellt. «Scholz will Gleichberechtigung für beide Seiten. Das hat er in Peking eingefordert.» Zudem habe Scholz auf Einhaltung der Menschenrechte gepocht. Doch: «Scholz hätte direkter sein können und etwas Konkretes verlangen – etwa, dass Beobachter Zugang bekommen zu Xinjiang, wo die Uiguren unterdrückt werden.» Doch das habe Scholz nicht gemacht. «Wenn man die Absicht hat, härter und souveräner aufzutreten gegenüber China, war das jetzt sicher nicht ein völlig neues Level», stellt die Korrespondentin fest.

Ein Signal an die Welt

Für Emch ist klar: China geht es eher um die Signalwirkung als um konkrete Abkommen. Die Botschaft von Xi und der allmächtigen Kommunistischen Partei: Wir wollen weiterhin mit dem Westen geschäften und einen Modus Vivendi sicherstellen. Auch die Investoren sollen damit beruhigt werden.

Routinemässige Covid-Tests in Peking, 18. Oktober
Legende: Zuletzt hatte sich Verunsicherung breit gemacht in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung Chinas: So etwa aufgrund der anhaltenden Lieferkettenprobleme und der rigorosen Null-Covid-Politik Pekings, die wirtschaftlich Spuren hinterlässt. Keystone/AP/Andy Wong

Die Visite des Regierungschefs der viertgrössten Volkswirtschaft der Welt ist also durchaus bedeutsam für die Supermacht China. Schliesslich wird Scholz auch von einem Tross von Wirtschaftsvertretern begleitet.

Aus Chinas Sicht soll sich das Ausland aus internen Angelegenheiten heraushalten.
Autor: Samuel Emch SRF-Korrespondent in Schanghai

«Deutschland ist einer der grössten Handelspartner Chinas und Scholz ist seit Pandemie-Ausbruch der erste Vertreter einer grossen Wirtschaftsmacht, der Xi besucht», erklärt Emch. «Zudem ist die Verunsicherung in Bezug auf die geopolitische und wirtschaftliche Entwicklung Chinas gross.»

Scholz kommt nicht nur in wirtschaftlicher Mission. Er spricht auch schwierige Themen an – von Taiwan über Menschenrechte bis zu den Uiguren mangelt es daran nicht. Grossen Widerhall auf kritische Töne wird es allerdings nicht geben, schliesst Emch: «Aus Sicht Chinas sind das interne Angelegenheiten. Das Ausland soll sich heraushalten.»

Heute Morgen, 04.11.2022, 6:20 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel