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Deutscher Shutdown Handelskammer-Chef: «Jetzt sind die Innenstädte ganz tot»

In Deutschland wird ab heute das alltägliche Leben wieder stark heruntergefahren. Läden bleiben zu, ausser sie decken den täglichen Bedarf. Kindertagesstätten und Schulen gehen vielerorts nicht auf. Restaurants, Kinos und Fitnesscenter wurden bereits im November geschlossen. Das sei ein harter Schlag für die Läden direkt an der Schweizer Grenze, sagt Claudius Marx von der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee.

Claudius Marx

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Claudius Marx ist seit 2006 Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee. Diese vertritt die Interessen der rund 36'000 Gewerbetreibenden und Unternehmen in den Landkreisen Konstanz, Waldshut und Lörrach.

SRF News: Wie sehr beunruhigt Sie der erneute Shutdown in Deutschland?

Claudius Marx: Das wird definitiv eine schwierige Zeit. Dieser Lockdown beginnt mitten im Vorweihnachtsgeschäft, das für unseren Einzelhandel mit das wichtigste Geschäft im ganzen Jahr ist. Das ist genau die Zeit, in der etwa 20 Prozent des Jahresumsatzes gemacht werden. In manchen Branchen – Spielwaren, Uhren, Schmuck, Bücher – ist es noch viel mehr. Dass das nun komplett ausfällt, ist natürlich ein harter Schlag.

Sie sind in einer Region tätig, die nahe an der Schweizer Grenze liegt. Wie verlief dieses Jahr bislang?

Ich glaube, da ist das Bild von der Achterbahn durchaus zutreffend. Das war ein hartes Auf und Ab. Der erste Lockdown im Frühjahr war für unsere Unternehmen im Handel sehr schwierig. Und als der Lockdown zu Ende war, war die Situation noch nicht besser, weil die Grenzen zur Schweiz noch nicht offen waren. Es fehlte also geografisch die südliche Hälfte des Kundenkreises. Erst als die Grenze im Frühsommer wieder aufging, hatten wir so etwas wie Normalität. Einzelne Unternehmen hatten uns gemeldet, dass sie wieder auf demselben Umsatzniveau wie vor dem Ausbruch der Pandemie waren. Da gab es also durchaus Hoffnung.

Es war schon eine schwierige Zeit, und jetzt kommt es nochmal ganz hart.

Dann kam der zweite Teil-Lockdown, den wir jetzt im November hatten. In dieser Zeit hatten wir zusätzlich noch einen nachlassenden Einkaufstourismus. Wir erklären uns das so, dass die Gesamtsituation so diffus ist, die Regeln so kompliziert, dass viele Schweizer Kunden einfach zu Hause geblieben sind. Zumal ja auch die Politik dazu aufruft, zu Hause zu bleiben. Da wurde mehr vor Ort eingekauft. Das war schon eine schwierige Zeit, und jetzt kommt es nochmal ganz hart.

Über die Grenze gehen ist zwar noch erlaubt. Aber dennoch: Was bedeutet der neuerliche Lockdown für die Grenzregion?

Es war schon bislang schwierig. Unsere Innenstädte waren durch den Teil-Lockdown so etwas wie teil-verwaist: Die Gastronomie, die Hotellerie, die Kinos, die Theater und die Fitnesscenter waren geschlossen. Das heisst, da war das Leben schon ein Stück weit erstickt. Das, was noch offen hatte, hat darunter gelitten, dass die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt nicht mehr dieselbe war. Man ging da nur noch hin, um sich zu versorgen. Das Einkaufen als Shoppingerlebnis, der Spontankauf, das Stöbern ist alles schon weggefallen. Darunter haben die Innenstädte schon gelitten, und jetzt sind sie dann eben ganz tot.

Das Gespräch führte Silvan Zemp.

SRF 4 News, 16.12.2020, 9.18 Uhr ; 

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