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Die USA und die Nato Alle für einen – oder doch nicht?

Wenn Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg auftritt, erntet er meist Respekt, häufig auch Zustimmung. Doch stehende Ovationen, minutenlangen Applaus – das ist der nüchterne 60-jährige Norweger nicht gewohnt.

Doch genau damit quittierten republikanische wie demokratische Abgeordnete seinen Auftritt vor beiden Kammern des US-Kongresses. Stoltenberg ist der erste Chef einer internationalen Organisation, dem diese Ehre zuteil wurde.

Glaubwürdigkeit basiert nicht nur auf Feuerkraft

Der Jubel war aber nicht nur Bekräftigung des Nato-Chefs, sondern ebenso Kritik an US-Präsident Donald Trump. Er ist ein Nato-Skeptiker, schliesst gar einen Austritt der USA aus der Organisation, die sie selber ins Leben gerufen haben, nicht aus.

Er pöbelt und beschädigt so die Abschreckungswirkung der Allianz. Deren Glaubwürdigkeit basiert nicht nur auf Feuerkraft, sondern mehr noch auf dem Prinzip «alle für einen». Will heissen: Wird ein Land angegriffen, eilen ihm sogleich sämtliche Bündnispartner zu Hilfe.

Stoltenberg nutzte seine Chance

Anders als beim Präsidenten, geniesst die Nato im US-Parlament grossmehrheitlich Rückhalt. Es war daher ein geschickter Schachzug von Nancy Pelosi, der Präsidentin des Repräsentantenhauses, den Nato-Generalsekretär zu einem feierlichen Auftritt ins Kapitol in Washington einzuladen. Und so Trump zu zeigen, wie stramm die Parlamentarier hinter der westlichen Militärallianz stehen.

Stoltenberg nutzte seine Chance. Er warnte vor der russischen und vor anderen Gefahren. Er warb für eine Stärkung der Nato und sieht dabei nicht zuletzt die Europäer in der Pflicht, finanziell und operativ mehr beizutragen. Er betonte, wie unverzichtbar die Nato sei – gerade auch für die USA.

Stoltenberg vermied jede Provokation

Tatsächlich: Mächtig wären die Vereinigten Staaten auch allein. Doch zur Supermacht werden sie erst dank ihren soliden Allianzen. Die transatlantische, jene mit den Europäern, ist die beste, die älteste, die engste. Ohne Partner verlören die USA erheblich an Einfluss in der Welt. «Zusammen sind wir stärker», lautete deshalb Stoltenbergs Credo.

Der Generalsekretär sprach die Differenzen innerhalb der Nato offen an. Aber er hütete sich, Trump zu erwähnen. Stoltenberg vermied jede Provokation, sieht seine Aufgabe als Brückenbauer. Und will keinesfalls den Zorn des Herrn im Weissen Haus auf sich ziehen.

Welche Schlüsse zieht Trump?

Dennoch ist unwahrscheinlich, dass diesem Stoltenbergs Auftritt nebenan im Kongress gefallen hat. Erst recht nicht die Begeisterung, mit der dieser dort empfangen wurde. Denn selbst er wird den Jubel für die Nato und deren Chef als Kritik an ihm, dem Nato-Skeptiker, ja Nato-Verächter, verstehen.

Anders als der US-Präsident erkennen die Abgeordneten im Bündnis wesentlich mehr als eine Ländergruppe, denen man amerikanische Rüstungsgüter verkaufen kann. Bloss: Welche Schlüsse Trump nun aus dieser Demonstration der Bündnissolidarität zieht, ist völlig offen.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

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