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Die Verbündeten des Iran Wo sind die Freunde Teherans geblieben?

Die vom Iran während vieler Jahre beschworene «Achse des Widerstands» ist massiv geschwächt. Von Russland und China, mit deren Hilfe sich Teheran aus der Isolation befreien wollte, ist keine Hilfe in Sicht. Ein Lageüberblick mit dem Islamwissenschaftler Guido Steinberg.

Guido Steinberg

Islamwissenschaftler an der SWP Berlin

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Guido Steinberg ist Sicherheitsexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Bis 2005 arbeitete er als Terrorismusreferent für die deutsche Regierung. Jetzt forscht er zur Politik des Nahen Ostens und zum islamistischen Terrorismus.

SRF News: Wie stellen sich die aktuellen Machtverhältnisse in Nahost dar?

Guido Steinberg: «Achse des Widerstands» nennt Teheran das grosse Bündnis, das Iran in den letzten vier Jahrzehnten aufgebaut hat. Ein Widerstand gegen US-amerikanischen Imperialismus, Zionismus und den Staat Israel. Zu diesem Bündnis gehören die Hisbollah im Libanon, die Huthi-Rebellen im Nordjemen, die irakischen schiitischen Milizen im Zweistromland und bis vor Kurzem das Assad-Regime in Syrien. Doch Israel hat nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 massiv zurückgeschlagen. Die Hisbollah ist stark geschwächt. Die Hamas existiert kaum noch. Das Regime von Assad ist durch sunnitische Islamisten gestürzt worden.

Auf der anderen Seite der Staat Israel, der sich vor allem durch die Art und Weise seiner Kriegsführung in Gaza, aber auch durch sein Vorgehen im Westjordanland immer stärker isoliert hat. Israel hat zwar in den letzten Jahren Friedensverträge geschlossen, und anderem mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Auch mit Saudi-Arabien war ein Frieden geplant. Doch zurzeit nehmen die arabischen Staaten von engeren Beziehungen mit Israel Abstand. Ganz einfach deshalb, weil sich die öffentliche Stimmung in der Region so sehr gegen Israel wendet.

Wie positioniert sich Saudi-Arabien?

Saudi-Arabien und Israel näherten sich einander bis vor einigen Jahren an, weil sie in der Islamischen Republik Iran die grösste Bedrohung für die Stabilität der Region und auch für den Fortbestand ihrer Staaten sahen. Bereits in der ersten Amtszeit von Präsident Donald Trump war die Rede von einem möglichen Frieden. Seit 2020 distanzierten sich die Saudis aber immer mehr von Israel und setzten auf einen Entspannungskurs mit Teheran. Auch die Regierung von Präsident Joe Biden versuchte vergeblich, einen Frieden mit Israel zu fördern. Doch Saudi-Arabien suchte eine etwas intensivere Nähe zu Russland und China sowie zum Iran.

Die grösste Sorge der Golfstaaten

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Die sechs Länder am Persischen Golf Saudi-Arabien, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Bahrain und Oman sind vor allem besorgt darüber, dass sich der Krieg zwischen Israel und Iran unkontrolliert weiterentwickeln könnte. Dies sagt der Historiker Toby Matthiesen, Experte für den Nahen Osten und die Golfstaaten an der Universität Bristol. Etwa mit Angriffen auch in den Golfstaaten, die allesamt US-amerikanische und zum Teil noch britische Militärbasen haben.

Am Montagabend griff der Iran tatsächlich die US-Militärbasis Al-Udeid in Katar an. Saudi-Arabien verurteilte den Angriff in der Folge als «eklatanten Verstoss gegen das Völkerrecht und die Prinzipien guter Nachbarschaft». Das einflussreiche Königreich bekräftigte seine uneingeschränkte Solidarität mit dem «brüderlichen Staat Katar». Auch Jordanien verurteilte den iranischen Angriff und sprach von einer «eklatanten Verletzung der Souveränität». Oman bezeichnete die Attacke ebenfalls als inakzeptabel.

Die Golfstaaten fürchteten auch um ihre politische und wirtschaftliche Entwicklung, erklärt Matthiesen weiter. Ebenso seien sie angewiesen auf die Ölexporte durch die Strasse von Hormus, die der Iran nun allenfalls schliessen wolle. Laut dem Experten sehen die Golfstaaten insgesamt den wirtschaftlichen Transformationsprozess in Gefahr, für welchen stabile Verhältnisse in der Region nötig sind. Etwa für die Abkehr vom Öl, aber auch für Tourismus und als attraktiver Standort für westliche Firmen. Der Flugverkehr sei bereits eingeschränkt und viele Projekte wohl zurzeit auf Eis gelegt, so Matthiesen.

Was tun Russland und China als Verbündete des Iran?

In den letzten Jahren deutete sich an, dass sich der Iran etwas aus seiner Isolation herausbewegt, indem er gute Beziehungen zu Russland und China aufbaute. Dass die beiden Länder nun so am Rande stehen und es vor allem von Russland überhaupt keine Hilfen gibt, ist schon sehr erstaunlich. Immerhin lieferten die Iraner den Russen Drohnen und Drohnentechnologie, die im Ukraine-Krieg sehr erfolgreich eingesetzt werden.

Es ist möglicherweise einfach falsch, Russland und China als Verbündete des Iran zu bezeichnen.
Autor: Guido Steinberg

Ich ging immer davon aus, dass es dafür eine militärische Gegenleistung geben würde und Russland dem Iran beim Wiederaufbau oder bei der Verbesserung seiner Luftabwehr hilft. Das ist nicht geschehen. Es ist möglicherweise einfach falsch, Russland und China als Verbündete des Iran zu bezeichnen. Viele im Westen und auch ich haben diese neuen Beziehungen offenbar falsch eingeschätzt. Das führt zur Erkenntnis, dass der Iran in dieser Krise isolierter denn je ist.

Das Gespräch führte Susanne Stöckl.

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News Plus, 23.06.2025, 15:30 Uhr ; 

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