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Dienstleistung im Drogenhandel Digitale Netzwerke – neue «DNA» der organisierten Kriminalität

Fachleute beobachten seit längerem eine starke Zunahme von illegalen Drogen und vor allem von Kokain. Die Rede ist von einem «Weissen Tsunami», der Europa überrollt. Das hänge mit dem starken Wandel durch die Digitalisierung der organisierten Kriminalität nach Covid zusammen, erklärt Daniel Brombacher, Direktor der Europäischen Beobachtungsstelle für das Organisierte Verbrechen.

Daniel Brombacher

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Daniel Brombacher ist seit April 2024 Direktor der Europäischen Beobachtungsstelle für das Organisierte Verbrechen.  Er ist zeitgleich Gastwissenschaftler in der Stiftung Wissenschaft und Politik und im Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit, Berlin. Zwischen 2015 und 2024 leitete er das Vorhaben Global Partnership on Drug Policies and Development (GPDPD) bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

SRF News: Sie orten einen Innovationsschub beim organisierten Verbrechen nach dem pandemiebedingten Unterbruch der Drogenlieferketten. Wie ist das möglich geworden?

Daniel Brombacher: Das geschah analog zur legalen Welt, wo sich Kommunikationsformate aus dem physischen Raum stark in den digitalen verlagert haben. Das organisierte Verbrechen nutzt zugleich die Möglichkeiten der verschlüsselten Kommunikation und das Darknet. Das führte gerade bei transnationalen Lieferketten dazu, dass man etwa Kokain aus Südamerika kaufen konnte, ohne vor Ort physisch präsent zu sein oder Kontakte in die Region haben zu müssen. Die Anonymisierung und Digitalisierung dieser Lieferketten führte zu erheblichen Fortschritten für das organisierte Verbrechen und zeitweiligen Vorteilen gegenüber den Behörden.

Entstanden ist der Begriff «Crime-as-a-Service» für die neue Dienstleistungsstruktur. Können Sie das illustrieren?

Praktisch alles Kokain der Welt stammt aus dem Andenraum Südamerikas, egal ob es in Zürich, Basel oder Berlin landet. Um das Kokain zu kaufen, können organisierte kriminelle Netzwerke eine Reihe von Dienstleistungen in Anspruch nehmen: In den Ursprungsländern fängt das mit den Kokain-Maklern an, über welche Bestellungen aufgegeben werden, zum Beispiel über verschlüsselte Kommunikationsplattformen. Dann wird das Kokain an verschiedene Häfen in Europa geliefert, wo Dienstleister den Stoff herausholen. In Hamburg etwa heissen sie «Mauerkletterer», die dann das Kokain in Europa auf dem Markt bringen. Hierbei nutzen sie gelegentlich auch sogenannte «Corruption Brokers», damit die richtigen Leute am richtigen Ort die Augen verschliessen.

Es sind oft sehr flache, ad hoc gebildete Netzwerke, die heute im globalen Kokainhandel mitmischen. Das war früher so nicht möglich.
Autor: Daniel Brombacher Europäische Beobachtungsstelle für das Organisierte Verbrechen

Insgesamt sind die Zugangsbarrieren zum internationalen Kokainmarkt deutlich gesunken. Hierbei sind zum Teil Netzwerke beteiligt, hinter denen gar keine grosse kriminelle Organisation steckt. Es sind oft sehr flache, ad hoc gebildete Netzwerke, die heute im globalen Kokainhandel professionell mitmischen. Das war früher so nicht möglich.

Was bedeuten die neuen Strukturen für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität?

Das macht die Bekämpfung ungleich schwieriger. Bis vor einigen Jahren gab es im Prinzip bei vielen illegalen Märkten eine Art Monopol oder ein Oligopol von einigen wenigen und gut organisierten hierarchischen kriminellen Gruppierungen. Beispielsweise die italienische  'Ndrangheta oder Gruppen aus dem westlichen Balkan. Dadurch, dass jetzt so viele Dienstleister auf dem Markt verfügbar sind, mischen sehr viel mehr Leute auf den illegalen transnationalen Märkten mit. Bei einem Drogenfang an einem europäischen Hafen erwischt man häufig nur einen kleinen Teil eines Netzwerks.

Das Gespräch führte Matthias Kündig.

Echo der Zeit, 16.09.2025, 18:00 Uhr ; 

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