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Diplomatische Scharmützel Erdogan beleidigt Macron: Frankreich ruft Botschafter zurück

  • Nach einem verbalen Angriff des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf den französischen Staatschef Emmanuel Macron hat Frankreich erstmals seinen Botschafter in Ankara zu Konsultationen zurückgerufen.
  • Das Verhalten der Türkei sei inakzeptabel, teilte Frankreichs Aussenminister Jean-Yves Le Drian mit.
  • Der französische Botschafter sollte noch am Sonntag nach Paris zurückkehren. Diesen Fall habe es zuvor noch nie gegeben, bestätigten Élyséekreise.

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Aus dem Archiv: Macron bei Gedenkfeier für getöteten Lehrer
Aus Tagesschau vom 21.10.2020.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 46 Sekunden.

«Die Worte von Präsident Erdogan sind inakzeptabel», zitierte die französische Nachrichtenagentur AFP am Samstagabend die Begründung aus dem Élyséepalast. «Wir lassen uns nicht auf unnütze Auseinandersetzungen ein und akzeptieren keine Beleidigungen», hiess es demnach weiter. Man fordere den türkischen Präsidenten auf, den Kurs seiner gefährlichen Politik zu ändern.

Der türkische Präsident wittert «Islamfeindlichkeit»

Erdogan hatte zuvor am Samstag bei einem Kongress seiner Partei AKP in Kayseri in Zentralanatolien gegen «besorgniserregende Anzeichen einer wachsenden Islamfeindlichkeit in Europa» gewettert. Als Beispiel nannte er unter anderem Macron, der nach der Enthauptung des Lehrers Samuel Paty vor gut einer Woche dem radikalen Islamismus in Frankreich den Kampf angesagt hatte. Paty war von einem 18-Jährigen mit russisch-tschetschenischen Wurzeln getötet worden, nachdem er im Unterricht Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt hatte.

Erdogan übt auch Kritik an Berlin

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Bei derselben Veranstaltung hatte sich Erdogan auch kritisch zu einer Polizeirazzia in einer Berliner Moschee geäussert. Am Mittwoch hatten etwa 150 Polizisten in der deutschen Hauptstadt mehrere Firmen und eine Moschee wegen des Verdachts auf Corona-Subventionsbetrug durchsucht. Erdogan hatte den Vorgang zuvor auf Twitter als rassistisch und islamfeindlich bezeichnet.

Der Élysée merkte dem Bericht zufolge an, dass nach der Ermordung Patys keine «Botschaft des Beileids und der Unterstützung» vonseiten Erdogans erfolgt sei.

Macron wirbt für einen Islam, der «mit den Werten der Republik» vereinbar ist. Die strikte Trennung von Staat und Kirche gilt als ein Grundprinzip der französischen Verfassung.

«Was für ein Problem hat diese Person namens Macron mit dem Islam und Muslimen?», fragte Erdogan bei der Veranstaltung am Samstag. Macron gehöre in psychologische Behandlung, fügte der türkische Präsident hinzu. Sein französischer Amtskollege verstehe die Glaubensfreiheit nicht.

Nicht die erste Attacke Erdogans auf Macron

Verbalattacken Erdogans gegen Macron sind nicht unbedingt neu. Im vergangenen November hatte der türkische Präsident bereits die psychische Gesundheit des Franzosen in Frage gestellt. Damals hatte Macron dem Verteidigungsbündnis Nato den «Hirntod» attestiert. Erdogan sagte anschliessend, Macron solle besser seinen eigenen Hirntod untersuchen lassen.

Arabische Länder starten Boykott gegen Frankreich

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Im Streit um Karikaturen des islamischen Propheten Mohammed haben mehrere arabische Länder einen Boykott gegen Frankreich gestartet. Supermärkte und Händler in Jordanien, Kuwait und Katar nahmen französische Waren aus ihren Geschäften.

In Kuwait erklärten 50 Konsumgenossenschaften der Zeitung «Al-Kabas» zufolge, alle französischen Waren aus ihren Filialen entfernt zu haben. Auch in Katar erklärten Supermarkt-Ketten, französische Waren bis auf Weiteres zu entfernen. In sozialen Netzwerken waren Videos zu sehen, wie Mitarbeiter eines Supermarkts in Jordaniens Hauptstadt Amman französische Milchprodukte aus dem Kühlregal räumen. Nutzer verbreiteten im Internet die Namen französischer Marken und riefen zum Boykott auf, auch entsprechende Hashtags machten die Runde.

Hintergrund sind Aussagen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Er hatte sich am Mittwoch auf Seite derjenigen gestellt, die Mohammed-Karikaturen zeigen oder veröffentlichen wollen. Frankreich werde nicht «auf Karikaturen und Zeichnungen verzichten, auch wenn andere sich davon zurückziehen», sagte Macron bei einer Gedenkfeier zu Ehren des getöteten Lehrers Samuel Paty. Dieser hatte die Karikaturen im Unterricht gezeigt. Die islamische Tradition verbietet es dagegen, den Propheten abzubilden.

Beleidigungen und Provokationen von Erdogan habe es im Laufe des Sommers fast jede Woche gegeben, zitierte AFP den Élyséepalast. Diesmal gehe es aber auch um «den Kontext».

Viel Konfliktpotenzial zwischen Paris und Ankara

Die Liste der aktuellen Streitpunkte zwischen Paris und Ankara ist lang: Unter anderem hatte Macron im Seegebietsstreit zwischen den EU-Ländern Griechenland und Zypern auf der einen Seite und der Türkei auf der anderen zur symbolischen Unterstützung Griechenlands zusätzliche Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer geschickt und sich offen für zusätzliche Türkei-Sanktionen gezeigt. Frankreich hatte ausserdem die Einmischung der Türkei in den Konflikt in Berg-Karabach scharf kritisiert. Aserbaidschan kann sich in dem Konflikt mit Armenien um die seit Jahrzehnten zwischen beiden Ländern umstrittene Südkaukasusregion auf seinen «Bruderstaat» Türkei berufen.

SRF 4 News, 25.10.2020, 00.30 Uhr;

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