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Diskussion um Kapitolssturm «Trump ist im Kampf gegen McConnell der Stärkere»

Der Sturm auf das Kapitol vom 6. Januar 2021 sorgt in den USA immer noch für Debatten – auch innerhalb der republikanischen Partei. So spricht der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, von einem «gewalttätigen Aufstand».

Damit stellt er sich gegen Ex-Präsident Donald Trump und die Mehrheit seiner Partei, die von einer «freien politischen Meinungsäusserung» spricht – und von Wahlbetrug bei der letzten Präsidentenwahl. Auch wenn einzelne Republikaner McConnells Haltung teilen – dies seien bloss Einzelmasken, sagt der Experte Philipp Adorf.

Philipp Adorf

Professor und Experte für US-Republikaner

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Philipp Adorf ist Junior-Professor an der Universität Bonn am Institut für politische Wissenschaft und Soziologie. Seine Forschungsschwerpunkte sind der Aufstieg der Republikanischen Partei in den Südstaaten der USA seit den 60er Jahren, die steigende Relevanz von «Rasse» in der US-amerikanischen Politik, die «Christian Right» und ihre Allianz mit der Republikanischen Partei und weitere.

SRF News: Warum stellt sich Mitch McConnell gegen seine republikanische Partei?

Philipp Adorf: McConnell ist als ranghöchster Republikaner im Senat in einer komfortablen Situation – erst 2025 muss er sich in Kentucky der Wiederwahl stellen. McConnell hat vor allem die Zwischenwahl vom kommenden November im Visier: Er ist zum Schluss gekommen, dass die Fokussierung auf den vermeintlichen Wahlbetrug an Trump bei den Mitte-Wählern, die man für eine Mehrheit im Senat gewinnen muss, nicht gut ankommt. Stattdessen sollten sich die Republikaner im Wahlkampf besser auf Biden konzentrieren.

Bedeutet McConnells Aussage den Beginn eines Umdenkens bei den Republikanern?

Nein. McConnell steht innerhalb der Partei auf verlorenem Posten. Selbst er anerkennt, dass die Mehrheit der republikanischen Wählerinnen und Wähler glaubt, dass Biden mittels Wahlbetrugs an die Macht gekommen ist und Trump der legitime Präsident sei.

Trump ist bei den republikanischen Wählern noch populärer als beim Ende seiner Amtszeit.
Autor:

Trump ist bei ihnen inzwischen noch populärer, als er das am Ende seiner ersten Amtszeit war. Weil die Wählenden so denken, können es sich republikanische Kandidaten, die im November wiedergewählt werden wollen, schlicht nicht leisten, sich gegen die parteiinterne Mehrheitsmeinung zu stellen.

Was sind die Absichten von Ex-Vize Mike Pence?

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Pence.
Legende: Keystone

Auch Trumps Ex-Vizepräsident Mike Pence hat sich am Wochenende gegen Trump gestellt. «Pence stützt seine Kritik vor allem auf das Verfassungsrecht. Er sagt, dass er als Vizepräsident das Wahlresultat am 6. Januar 2021 nicht habe quasi eigenmächtig abändern können – was Trump ihm als Versagen vorwirft», sagt Philipp Adorf. Pence agiere im Vergleich zu McConnell etwas zurückhaltender und habe noch keinen offenen Bruch mit Trump forciert.

«Zugleich erkennt Pence wohl, dass er chancenlos ist, als Kandidat für die Präsidentenwahl 2024 aufgestellt zu werden.» Vielmehr arbeite Pence an seinem politischen Vermächtnis – dass er dereinst sagen könne, er habe am 6. Januar 2021 seinen Teil zur Verteidigung der amerikanischen Demokratie beigetragen. «Doch den offenen Konflikt mit Trump wird er wohl meiden», so Adorf.

Wieso findet McConnells Analyse nicht mehr Anklang innerhalb der Partei und an der Parteibasis?

Trump ist im Kampf gegen McConnell der Stärkere, er attackiert ihn immer wieder öffentlich und hat auch schon dessen Absetzung als Mehrheitsführer im Senat gefordert – was die republikanischen Senatoren aber verweigern.

Der angebliche Wahlbetrug hat sich derart stark in der Partei festgesetzt, dass die republikanischen Wähler stärker denn je daran glauben.
Autor:

Durch die stetige Propaganda Trumps hat sich die «Big Lie» – der angebliche Wahlbetrug – derart stark in der Partei festgesetzt, dass die republikanischen Wählerinnen und Wähler stärker denn je daran glauben. McConnell seinerseits versucht, eine Art Waffenstillstand zu erreichen, um bei der Wahl im Herbst bei den Mitte-Wählern eine Chance zu haben.

Sie sprechen von «einzelnen Kritikern» innerhalb der republikanischen Partei. Es gibt also kein Auseinanderdriften innerhalb des republikanischen Lagers?

Im Gegenteil: Die offizielle Kritik der republikanischen Funktionäre an den beiden Abgeordneten Liz Cheney und Adam Kinzinger am Parteitag vom Wochenende zeigt, dass sich die Parteiführung auf die Seite Trumps stellt. Auch die überwältigende Mehrheit der republikanischen Abgeordneten im Kongress steht hinter Trump.

Rüge für Cheney und Kinzinger

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Cheney und Kinzinger.
Legende: Reuters

An einem Treffen der mittleren republikanischen Parteifunktionäre in Salt Lake City am letzten Wochenende wurde eine Resolution verabschiedet, in der die republikanischen Abgeordneten Liz Cheney und Adam Kinzinger wegen ihrer Mitarbeit im Untersuchungsausschuss zum Kapitolsturm formell gerügt werden.

Cheney und Kinzinger würden sich an einer von den Demokraten angeführten «Verfolgung einfacher Bürger», die von ihrem «Recht auf legitime politische Meinungsäusserung» Gebrauch gemacht hätten, beteiligen, heisst es in der Resolution.

Die beiden Republikaner hätten mit ihrer Arbeit den Missbrauch der Aufklärungsarbeit durch die Demokraten für politische Zwecke unterstützt. Cheney und Kinzinger sind die einzigen Republikaner im Untersuchungsgremium des Repräsentantenhauses. Die Führung der Republikaner im Parlament weigerte sich, für die Aufklärung des Angriffs mit den Demokraten zusammenzuarbeiten.

Bekanntlich haben einen Monat nach dem Kapitolsturm 95 Prozent der republikanischen Abgeordneten gegen ein zweites Amtsenthebungsverfahren Trumps gestimmt. Seitdem ist die Unterstützung für Trump innerhalb des republikanischen Parteiestablishments keineswegs kleiner geworden. Im Übrigen hat selbst McConnell schon letztes Jahr gesagt, trotz aller Differenzen würde er Trump unterstützen, falls dieser die republikanische Kandidatur für 2024 schaffen sollte.

Das Gespräch führte Monika Glauser.

SRF 4 News, 10.02.2022, 06:50 Uhr ; 

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