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DNA-Genealogie in Schweden Schwedens Polizei setzt auf kommerzielle DNA-Datenbanken

Schweden nutzt als erstes Land Europas kommerzielle DNA-Datenbanken, um Morde mithilfe der Ahnenforschung zu lösen. Schwedens Erfahrungen sind auch für die Schweiz spannend.

DNA-Plattformen wie «Ancestry», «GED Match» oder «Family Tree DNA» helfen bei der Suche nach Verwandten – oder eben auch bei der Jagd nach Mördern. Die DNA-Spuren von einem Tatort werden mit diesen kommerziellen Datenbanken abgeglichen. Zum einen hofft man auf einen Treffer, zum anderen versucht man so, Verwandte zu finden und somit die Verbrechersuche eingrenzen.

US-Vorreiter: Verhaftung durch Verwandtschaft

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Ein Mann im Rollstuhl wird eine Rampe hochgeschoben
Legende: In den USA wurde der «Golden State Killer» dank eines privaten DNA-Stammbaums überführt. SRF / Sandra Büchi

Der sogenannte «Golden State Killer» mordete in den 1970er- und 1980er-Jahren – und blieb jahrzehntelang unentdeckt. Erst 2018 ging er einem Ahnenforscher ins Netz: Dieser lud das DNA-Profil des Täters bei einer kommerziellen Stammbaumplattform hoch. Dort stiessen die Ermittler auf eine entfernte Cousine – und kamen so dem Mörder auf die Spur.

In den USA wurden mithilfe von privaten DNA-Stammbäumen bereits mehrere Täter überführt. Der berühmteste Fall ist der «Golden State Killer». Nun zieht Schweden nach: Ab Juli darf die Polizei dort kommerzielle DNA-Plattformen bei Ermittlungen nutzen.

Schweden als europäischer Vorreiter

Bekannt wurde die Methode durch den Doppelmord im schwedischen Linköping 2004, welcher später als Serie «Genombrottet» für Netflix verfilmt wurde.

Ahnenforscher löst Fall in Schweden

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Eine Frau und ein Kind
Legende: Auch in Schweden konnte ein lange ungeklärter Fall mit DNA-Stammbaum gelöst werden. SRF / Sandra Büchi

Beim Doppelmord in Linköping wurden auf offener Strasse ein Kind und eine Frau ermordet. Obwohl der Täter DNA am Tatort hinterliess, blieb der Fall lange ungelöst. Erst, als der Ahnenforscher Peter Sjölund per Sondergenehmigung DNA-Stammbäume nutzte, konnte der Täter über entfernte Verwandte identifiziert werden.

Die Netflix-Serie «Genombrottet» beruht somit auf einer wahren Gegebenheit. Die Suche nach dem Mörder über die privaten Datenbanken war aber vom schwedischen Gesetz her nicht geregelt. Ab dem 1. Juli darf die Polizei nun auf diese zurückgreifen.

Mitverantwortlich für die Einführung der Methode ist der Forensiker Ricky Ansell. Er erklärt im Interview gegenüber SRF: «Die genealogische Analyse reduziert die Zahl der Verdächtigen und eröffnet neue Möglichkeiten – vor allem bei Fällen, die mit klassischen Methoden nicht gelöst werden konnten.»

Methode als letzte Wahl

Schweden hat in Europa eine Vorreiterrolle inne, da dort diese Ermittlungstechnik ohne Einschränkungen eingesetzt werden kann. In den Niederlanden, Grossbritannien und Australien darf nur bei gewissen Einzelfällen die DNA-Genealogie angewendet werden.

Symbolbild: Menschenbeine mit einem grafischen DNA-Symbol darüber
Legende: In den USA ist die Nutzung kommerzieller DNA-Datenbanken seit 2018 erlaubt. SRF / Sandra Büchi

In den USA ist der Einsatz von DNA-Stammbäumen bei der Verbrechensaufklärung seit 2018 etabliert und wurde schon in Hunderten von Fällen eingesetzt.

Wir müssen zuerst alle anderen Mittel ausgeschöpft haben, bevor wir in privaten Datenbanken nach Verwandten suchen dürfen.
Autor: Ricky Ansell Schwedischer Forensiker

Die Nutzung privater DNA-Profile wirft auch ethische Fragen auf. Nutzerinnen und Nutzer müssen zwar zustimmen, doch ihre hochgeladenen Daten verraten oft auch etwas über ihre Verwandten – ohne deren Einwilligung.

Ein Mann in dunklem Hemd
Legende: Der Schwedische Forensiker Ricky Ansell: «Die Diskussionen über Datenschutz sind richtig und wichtig.» Gemäss den schwedischen Gesetzen ist die kommerzielle DNA-Methode die letzte Wahl der Behörden. SRF/ Sandra Büchi

Um diese Methode einsetzen zu dürfen, braucht es eine Gesetzesänderung, bei welcher der Datenschutz ebenfalls eine Rolle spielt. Auch in Schweden gab es grosse Diskussionen, erzählt Ricky Ansell: «Die Diskussion über den Datenschutz war wichtig und richtig, für viele war es aber auch wichtig, einen solchen Mord aufklären zu können. Laut unseren Gesetzgebern ist diese Methode die letzte Wahl. Das heisst, zuerst müssen wir alle anderen Mittel ausgeschöpft haben, bevor wir in privaten Datenbanken nach Verwandten suchen dürfen.»

Schwedens Erfahrungen auch für die Schweiz interessant

Während Schweden zum europäischen Vorreiter wird, bleibt die Schweiz zurückhaltend.

Wir verfolgen gespannt, wie effizient das neue Instrument in Schweden sein wird.
Autor: Berina Repesa Mediensprecherin Fedpol

Zwar erlaubt das revidierte DNA-Profilgesetz seit August 2023 die Suche nach Verwandten in staatlichen Datenbanken, kommerzielle Anbieter bleiben jedoch tabu. «Es ist die Rolle von Fedpol, technologische Entwicklungen zu beobachten. Wir verfolgen gespannt, wie effizient das neue Instrument in Schweden sein wird», sagt Berina Repesa, Mediensprecherin des Fedpol.

Eine junge Frau in einem Büroraum
Legende: Das Fedpol beobachte die technologischen Entwicklungen, so Berina Reposa, Mediensprecherin Fedpol. SRF / Sandra Büchi

Zudem stehen in der Schweiz neue DNA-Instrumente wie die Phänotypisierung zur Verfügung, mit der sich neben dem Geschlecht auch das Alter, die Augen- und Haarfarbe oder die Herkunft bestimmen lassen.

Was ist DNA-Phänotypisierung?

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Die Methode erlaubt es, aus DNA-Spuren am Tatort das wahrscheinliche Aussehen, Alter und die biogeografische Herkunft einer Person zu bestimmen – also zum Beispiel auch Augen-, Haar- und Hautfarbe.

Sie ist aufwendig, liefert aber nützliche Hinweise, wenn es keine andere Spur gibt. Die Ergebnisse basieren auf Wahrscheinlichkeiten und gelten als wissenschaftlich fundierte Ergänzung zur klassischen DNA-Analyse.

Einschränkungen: Alter und Haarfarbe können ungenau sein, etwa bei ergrauten Personen oder Farbwechseln im Lauf des Lebens. Die Methode kommt in der Schweiz bisher nur in wenigen Fällen zum Einsatz, seit ihrer Einführung weniger als zehn Mal.

Falls die DNA-Genealogie in Schweden zum Durchbruch bei Mordermittlungen verhilft, würde das Fedpol einen Antrag stellen, damit diese auch in der Schweiz eingesetzt werden darf.

Tagesschau, 16.7.2025, 19:30 Uhr; sten

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