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EGMR-Entscheidung Marine Le Pen bleibt vorläufig unwählbar

Die Strassburger Richter heben die Strafe in Frankreich gegen die Rechtspopulistin nicht auf – solange dort keine Wahlen stattfinden, an denen sie kandidieren könnte.

Der Fall ist durchaus pikant: Seit Jahren kritisieren die Rechtsaussenpolitikerin Marine Le Pen und ihre Partei, das Rassemblement National, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) aufs Schärfste: Frankreich solle dessen Urteile schlicht ignorieren. Sie sprach von einer «Strassburger Zwangsjacke».

Veruntreuung von EU-Geldern

Jetzt gelangte Le Pen in eigener Sache an das von ihr geschmähte oberste Menschenrechtsgericht in Europa. Sie forderte, der EGMR solle sie von der Strafe der fünfjährigen Nichtwählbarkeit befreien. Le Pen will bei den französischen Präsidentschaftswahlen 2027 unbedingt antreten.

Le Pen war in Frankreich wegen Veruntreuung von EU-Geldern in Höhe von mehr als vier Millionen Euro verurteilt worden. Dagegen hat sie Rekurs eingelegt. Die übergeordnete nationale Gerichtsinstanz dürfte allerdings erst im Sommer 2026 darüber entscheiden.

Was bedeutet das für die nächste Präsidentschaftswahl 2027?

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«Falls das französische Berufungsgericht das Urteil der ersten Instanz bestätigt, dürfte es für Marine Le Pen eng werden, bei den nächsten Präsidentschaftswahlen 2027 antreten zu dürfen», sagt SRF-Korrespondentin Zoe Geissler in Paris. Der Entscheid des Berufungsgerichts wird im nächsten Sommer erwartet.

Am Mittwoch war zudem der Parteisitz des Rassemblement National durchsucht worden – wegen Verdachts auf illegale Finanzierung bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2022 sowie beim Europawahlkampf 2024. Dazu sagt Zoe Geissler: «Das Bild der Partei von sich als saubere Opposition hat damit sicher Risse bekommen.»

Bei der Stammwählerschaft dürfte die Argumentation der Partei, die Behörden veranstalteten mit Absicht eine Hetzjagd gegen sie, wohl ankommen. Ob das bei den anderen Wählerinnen und Wählern auch so sei, sei aber offen, so die Korrespondentin.

Zumindest bis dahin gilt das erstinstanzliche Urteil: Damit darf die Rechtspopulistin bei Wahlen nicht kandidieren.

Kein Anlass für ein dringendes Urteil

Der EGMR entschied praktisch postwendend auf das Ersuchen Le Pens. Doch die Richter traten nicht im Detail auf den Fall ein. Das tun sie erst, wenn Le Pen den nationalen Instanzenweg ausgeschöpft hat.

Die Strassburger Richter sehen keinen Anlass für ein Dringlichkeitsurteil. Der Französin erwachse durch die Nichtwählbarkeit kein irreparabler Schaden, da aktuell gar keine Wahl ansteht. Einen möglichen irreparablen Schaden erkennt der EGMR oft dann, wenn ein Kläger durch ein Urteil an Leib und Leben bedroht ist, etwa durch Misshandlung in einem Gefängnis.

Würden indes in Frankreich vorgezogene Wahlen angesetzt und damit Le Pens Nichtwählbarkeit direkte Folgen haben, bevor ihr Fall in Frankreich letztinstanzlich entschieden ist, dann könnte sie erneut mit einer Dringlichkeitsklage an den EGMR gelangen.

Rendez-vous, 10.7.2025, 12:30 Uhr;weds

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