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Ende der Notlage? Wie die Entscheidung der WHO die Pandemie beeinflussen könnte

Das Coronavirus scheint seinen Schrecken verloren zu haben. Zumindest hierzulande – denn die Pandemie ist noch nicht vorbei.

ACT-A. So lautet die Abkürzung, welche für Milliarden von Menschen von grosser Wichtigkeit ist. Vier Buchstaben, ein Bindestrich und ein Versprechen der reichen Länder, den armen zu helfen: mit dem «Access to COVID-19 Tools (ACT) Accelerator» – oder eben kurz ACT-A.

Eine Frau wird beatmet. In Senegal. Der Arzt trägt einen Mundschutz.
Legende: Erst jede zehnte Person in Senegal hat bereits mindestens eine Impfdosis erhalten. REUTERS/Zohra Bensemra

Seit dem Start im April 2020 verfolgt die Initiative von der WHO, verschiedenen Staaten, Nicht-Regierungsorganisationen, Philanthropinnen und Konzernen das Ziel, die Covidpandemie so schnell wie möglich zu beenden. Sie beinhaltet neben therapeutischen und diagnostischen Massnahmen unter anderem den Versuch, die Welt rasch zu impfen – geläufig unter dem Namen «Covax».

0.1 Prozent Impfquote in Burundi, drei Prozent im Jemen

Fast drei Jahre später zeigt sich: Während viele reiche Nationen den Schrecken der Pandemie hinter sich zu haben scheinen – vereinzelt wurde hierzulande bereits deren Ende ausgerufen – kämpfen die ärmeren Länder noch immer mit dem Virus. Tarik Jasarevic, Sprecher der WHO, betont: «Es steht noch Arbeit an.»

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Aus 10 vor 10 vom 29.12.2022.
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Die Vereinten Nationen veröffentlichen alle drei Jahre einen Bericht, der die Situation der besonders armen Entwicklungsländer illustriert. Gleichzeitig definiert die UNO, welche Staaten überhaupt dazugehören. Letztmals war dies 2021 der Fall, 46 Länder wurden als sogenannte «Least Developed Countries» eingestuft.

Der Blick auf die Karte verrät: Der Grossteil der Länder ist auf dem afrikanischen Kontinent situiert. Und genau dort ballen sich die Länder mit tiefen Impfquoten – auch wenn diese auf der ganzen Welt inzwischen eigentlich bei mindestens 70 Prozent sein sollte.

Keine Notlage, keine Hilfeleistungen?

Wer die Pandemie als beendet erklären wolle, täte gut daran, diesen Kontext zu berücksichtigen. Dieser Meinung ist Kerstin Noëlle Vokinger. Die Professorin für Recht, Medizin und Technologie an der Universität Zürich sagt: «Eine Herabstufung der WHO hätte direkte Auswirkungen auf die Pandemiebekämpfung in den ärmeren Ländern.»

Eine Herabstufung der WHO hätte direkte Auswirkungen auf die Pandemiebekämpfung in den ärmeren Ländern.
Autor: Kerstin Noëlle Vokinger Professorin für Recht, Medizin und Technologie

Dabei ginge es aber nicht um die Beendigung der Pandemie – dies hat grundsätzlich symbolischen Wert – sondern um die Rückstufung der «Feststellung einer gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite».

Wer kann die Pandemie für beendet erklären?

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Das Wort Pandemie setzt sich auf dem griechischen «pan», was «umfassend» oder «ganz» bedeutet, und «demos» für «Volk» zusammen. Es handelt sich also um ein Infektionsgeschehen, das die ganze Welt betrifft.

Es scheint oft der Trugschluss zu bestehen, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) dieses Weltgeschehen auch als beendet erklären kann. Dem ist allerdings nicht so, wie WHO-Sprecher Tarik Jasarevic sagt, und zwar «weil die internationalen Gesundheitsvorschriften gar keine derartige Definition vorsehen».

Vielmehr habe die WHO damals im Januar 2020 eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite festgestellt und das Infektionsgeschehen vier Monate später zur Pandemie hochgestuft. Rechtlich relevant ist allerdings nur die erste Massnahme. Die Ausrufung der Pandemie soll eher als internationaler Weckruf verstanden werden, welcher der Welt den Ernst der Lage verdeutlichen soll.

Wenn also gemutmasst wird, ob die WHO die Pandemie beenden wird, geht es eigentlich um die gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite. Man könne allerdings nicht darüber spekulieren, wann dies geschehen werde, so Jasarevic: «Auch wenn man in vielen Ländern bei der Eindämmung des Virus Fortschritte macht, bleiben Bedenken bestehen.» Weltweit gebe es nach wie vor hohe Fallzahlen und Todesfälle, tiefe Impfquoten oder Befürchtungen von Virusmutationen.

Was gemäss Vokinger in diesem Szenario passieren könnte, ist folgendes: Die Pandemiebekämpfung verliert an Dringlichkeit und gewisse Massnahmen zur Unterstützung von ärmeren Ländern könnten wegfallen. In diesem Zusammenhang müsse man auch verstehen, wie die WHO funktioniere. Verabschiedet die Weltgesundheitsorganisation nämlich Empfehlungen, können diese grundsätzlich in den Vertragsstaaten nicht mit Zwang durchgesetzt werden.

Notlage dürfte noch andauern

Ob die WHO die internationale Notlage beendet, hat also reale Auswirkungen auf die Pandemiebekämpfung, auf Einzelschicksale und Menschenleben. Daher geht Kerstin Noëlle Vokinger auch nicht davon aus, dass dies in den nächsten Tagen geschehen werde. «Zudem hat die WHO erst im vergangenen Oktober betont, dass etwa die zukünftigen SARS-CoV-2 Varianten ungewiss seien und der fehlende Zugang zu Impfstoffen in gewissen Ländern besorgniserregend sei.»

Liste von unentbehrlichen Arzneimittel: Covid-Impfstoffe fehlen

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Die WHO definiert alle zwei Jahre, welche wirksamen und sicheren Medikamente derart essenziell sind, um die wichtigsten Bedürfnisse in einem Gesundheitssystem zu erfüllen. Auf der sogenannten «Modellliste von unentbehrlichen Arzneimitteln» sind unter anderem die Impfung gegen Cholera, Dengue oder Masern aufgeführt.

«Die Liste dient als Unterstützung für Länder, um effektive, sichere und idealerweise kosteneffiziente Medikamente zu identifizieren», erklärt Rechtsprofessorin Kerstin Noëlle Vokinger. Die Länder würden dabei autonom entscheiden, welche Medikamente sie als essenziell erachten. Aber die WHO-Liste diene als wichtige Hilfestellung und würde zudem gewissen Druck auf Länder und Unternehmen ausüben, fährt sie fort.

Derzeit würden Medikamente oder Impfstoffe gegen Corona fehlen, sagt Vokinger. Dies könne sich aber ändern. Als die Liste im September 2021 aktualisiert wurde, argumentierte die WHO, dass bei der Pandemieentwicklung noch zu viele Faktoren unsicher seien. Seither hat es in der Forschung viele Fortschritte gegeben, wenn auch die Pandemie zuweilen unberechenbar bleibt.

Dieser Missstand ist leichter zu beheben, wenn die Staatengemeinschaft an einem Strang zieht – globaler Notstand hin oder her. Auch WHO-Sprecher Jasarevic betont: «Selbst wenn dieser irgendeinmal beendet wird, sollte das nicht als Zeichen verstanden werden, ACT-A nicht mehr zu unterstützen.»

SRF 4 News, 3.1.2023, 14:00 Uhr

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