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Ende einer Hängepartie Deutsche Kampfpanzer für die Ukraine

  • Nach langem Zögern liefert Deutschland Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine. Auch wird anderen Ländern gestattet, solche Panzer an Kiew abzugeben.
  • Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Berlin aus Koalitionskreisen. Zuvor hatten «Spiegel» und ntv darüber berichtet.

Die Ukraine bittet seit Monaten um Kampfpanzer westlicher Bauart für den Kampf gegen die russischen Angreifer. Die erste offizielle Anfrage erfolgte schon eine Woche nach Kriegsbeginn Anfang März vergangenen Jahres. Mit den Kampfpanzern hofft die Ukraine, wieder in die Offensive zu kommen und weiteres Gelände zurückzuerobern. Gleichzeitig wird für das Frühjahr eine Offensive Russlands befürchtet.

Warschau hatte zuvor am Dienstag mit einem offiziellen Exportantrag die Bundesregierung um eine Genehmigung für die Lieferung der in Deutschland hergestellten Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine gebeten – und Berlin damit ganz konkret unter Zugzwang gesetzt.

Zu zögerliches Verhalten

Die Vorsitzende des deutschen Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), bilanzierte: «Die Entscheidung war zäh, sie dauerte viel zu lange, aber sie ist am Ende unausweichlich. Dass Deutschland die Lieferung seines Panzers Leopard 2 durch Partnerländer freigibt und auch selbst liefert, ist eine erlösende Nachricht für das geschundene und tapfere ukrainische Volk.» Die Entscheidung bedeute einen wichtigen Schritt in der Zurückdrängung des brutalen Angriffs Russlands auf ein unschuldiges Land, sagt sie der dpa in Berlin.

Warschau machte schon seit längerem Druck

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Bundeskanzler Scholz stand in der Frage der Leopard-Lieferungen seit Wochen in der Kritik – vorgeworfen wird ihm ein zu zögerliches Vorgehen. Auch in der eigenen Koalition gab es Unmut. Die Regierung begründete ihr Vorgehen unter anderem mit dem Risiko einer Eskalation und der nötigen internationalen Abstimmung.

Polen macht in der Diskussion um die Kampfpanzer-Lieferungen schon seit längerem Druck auf Deutschland. Regierungschef Mateusz Morawiecki hatte am Montag gesagt, notfalls werde man auch ohne die Genehmigung Berlins handeln, womit Polen einen diplomatischen Eklat riskiert hätte.

Bereits in der vorvergangenen Woche hatte Präsident Andrzej Duda verkündet, man wolle der Ukraine 14 Leopard-Kampfpanzer überlassen. Insgesamt hat Polen nach Angaben des Verteidigungsministeriums 247 Leopard-2-Panzer in drei unterschiedlichen Versionen (A4, A5 und PL).

Polen will eine europäische Koalition zur Lieferung von Kampfpanzern bilden. Zunächst hatte nur Grossbritannien die Lieferung von Challenger-2-Kampfpanzern zugesagt. Von den 14 europäischen Staaten, die Leopard-Panzer haben, hat neben Polen bisher nur Finnland öffentlich Bereitschaft signalisiert, einige Exemplare abzugeben.

Deutschland liefert seit Kriegsbeginn Waffen in die Ukraine. Seither wurden unter anderem schwere Artilleriegeschütze und Luftabwehrsysteme abgegeben. Zugesagt hat es auch bereits Schützenpanzer vom Typ Marder, die deutlich weniger schlagkräftig sind als der Leopard 2.

Unionsfraktionschef Friedrich Merz von der Opposition begrüsste die Entscheidung, warf Bundeskanzler Olaf Scholz aber zugleich Zögerlichkeit vor. «So bleibt das Bild eines Getriebenen, der zu lange gezögert hat.»

Halleluja! Jesus Christus!
Autor: Andrij Melnyk Stellvertretender Aussenminister der Ukraine

Der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, bejubelt die geplante Lieferung an sein Land – und stellt sogleich weitergehende Forderungen nach modernen Kampfjets. «Halleluja! Jesus Christus!», schreibt er auf Twitter, «Und nun, liebe Verbündete, lasst uns eine starke Kampfjet-Koalition für die Ukraine auf die Beine stellen, mit F-16 und F-35, Eurofightern und Tornados, Rafale und Gripen-Jets – und allem, was ihr der Ukraine liefern könnt.»

Leopard-Panzer im Gefecht
Legende: Deutschland liefert seit Kriegsbeginn Waffen in die Ukraine. Nun auch 14 Leopard-Panzer. Keystone/Archiv/SASCHA STEINBACH

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt twittert auf Englisch: «Der Leopard ist befreit!» Sie schreibt: «Jetzt kann er hoffentlich schnell der Ukraine bei ihrem Kampf gegen den russischen Angriff und für die Freiheit der Ukraine und Europas helfen.» Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): «Natürlich wäre es besser gewesen, die Entscheidung schneller zu treffen, insbesondere für das Ansehen Deutschlands in Europa. Aber besser spät als gar nicht.»

Moskau: «Solche Lieferungen verheissen nichts Gutes»

Deutschland nimmt als Produktionsland in der Frage um die Leopard-Lieferung eine Schlüsselrolle ein. Werden Rüstungsgüter an andere Staaten verkauft, werden in die Verträge immer sogenannte Endverbleibsklauseln eingebaut. Darin ist geregelt, dass bei einer Weitergabe an dritte Länder die Bundesregierung zustimmen muss.

Berichte: Bewegung auch in den USA

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte immer betont, dass er bei der Bereitstellung qualitativ neuer Waffensysteme nur gemeinsam mit den USA handeln wolle.

Und in der Tat kamen aus den USA Berichte, wonach US-Präsident Joe Biden nun doch die Lieferung von M1-Abrams-Panzern erwägt. Das «Wall Street Journal» berichtete, eine Ankündigung über die Zusage «einer grösseren Anzahl» der M1 Abrams zur Abwehr des russischen Angriffskriegs könnte noch diese Woche kommen.

Biden habe Scholz in einem Telefonat vergangene Woche zugesagt, eine solche Lieferung prüfen zu lassen, meldete das Blatt unter Berufung auf nicht namentlich genannte Quellen.

Bereits am Mittwoch soll bekannt werden, dass zirka 30 bis 50 Panzer an die Ukraine geliefert werden sollen, wie die «New York Times» unter Berufung auf einen Insider berichtet.

Weder das Weisse Haus noch das Pentagon bestätigten am Dienstag offiziell die Meldungen.

Schon vor der Entscheidung hatte der Kreml vor einer weiteren Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen gewarnt, sollte die Bundesregierung der Lieferung von Leopard-Kampfpanzer zustimmen. «Solche Lieferungen verheissen nichts Gutes für die Zukunft der Beziehungen», sagt Kremlsprecher Dmitri Peskow laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax.

Tagesschau, 24.1.23, 19:30 Uhr ; 

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