Graz ist Weltkulturerbe und das pompöse Rathaus von 1893 eignet sich besonders gut für Hochzeitsbilder mit Konfettiregen. Doch interessanterweise sieht man das Wichtigste auf dem Platz vor dem Rathaus nur im Dunkeln.
«Sie meinen den Würstelstand», lacht Alexis Pascuttini, «der steht tatsächlich nur nachts hier.» Der 29-jährige Jurist war früher Mitglied von Herbert Kickls Freiheitlicher Partei Österreichs (FPÖ) und sorgt heute dafür, dass ein riesiger FPÖ-Skandal in Graz nicht im Dunkeln bleibt. Der Würstelstand ist dabei ein entscheidender Zeuge.
Ein Skandal wird immer schmutziger
Der Reihe nach: 2021 trat die FPÖ-Spitze in Graz unvermittelt zurück. Kurz darauf machte ein FPÖ-Lokalpolitiker eine Selbstanzeige: Er habe 700'000 Euro der Fraktion veruntreut. Der damals frisch gewählte Alexis Pascuttini wurde von der FPÖ als Fraktionschef im Gemeinderat vorgeschlagen, möglicherweise in der Hoffnung, er werde den Skandal vertuschen. Doch der Jurist Pascuttini hat sich in den Fall verbissen.
Denn im Zuge der Aufklärung wurde der Skandal immer schmutziger: Bei einer zentralen Figur der FPÖ-Finanzaffäre wurden tausende Bilder mit Kinderpornografie und Nazi-Broschüren gefunden. Ein weiterer FPÖ-Mann wurde als Betreiber einer Crystal-Meth-Drogenküche und ein Dritter als Kryptogeld-Betrüger entlarvt. Ein wichtiger Zeuge starb unter mysteriösen Umständen.
In einer kalten Aprilnacht 2024 traf Pascuttini am Würstelstand jenen Funktionär, der mit seiner Selbstanzeige den Finanzskandal ins Rollen gebracht hatte. Der Mann gestand: «Natürlich war ich es nicht allein.»
Doch die Staatsanwaltschaften in Graz und Klagenfurt ermittelten auffällig langsam. Das Verfahren dümpelt inzwischen fast vier Jahre vor sich hin. Pascuttini hat deshalb eine Klage wegen Amtsmissbrauchs eingereicht.
«Ist das eine Mafiaorganisation?»
Der FPÖ wurde der Ermittlungseifer Pascuttinis zu viel, und sie schloss ihn aus der Partei aus. Im Februar dieses Jahres legten Unbekannte sogar zwei Gewehrpatronen vor seine Haustüre.
So viele Skandale in Graz, obwohl wir nur ein kleiner Teil Österreichs sind.
«Da fragt man sich schon: Ist das eine Mafiaorganisation, die wie in einem schlechten Film droht?», sagt Pascuttini. Doch er lässt sich nicht einschüchtern, und die Rolle als Aufklärer schmeichelt ihm wohl auch.
FPÖ triumphiert trotzdem bei Wahlen
Politische Folgen hatte der Skandal überraschenderweise nicht. Im Gegenteil: Bei der steirischen Landtagswahl im Herbst 2024 verdoppelte die FPÖ ihr Resultat, wurde klar stärkste Fraktion und stellt mit Mario Kunasek zum ersten Mal den Landeshauptmann in der Steiermark. Pascuttini reibt sich die Augen: «So viele Skandale in Graz, obwohl wir nur ein kleiner Teil Österreichs sind.»
Man kann die Bilanz auch so formulieren: Graz ist nicht einfach ein Skandal auf lokaler Ebene, sondern zeigt: Sogar bis auf die lokale Ebene hinunter gibt es in Österreich gewaltige Skandale.