- In mehreren europäischen Städten gingen heute hunderttausende Menschen auf die Strasse, um gegen explodierende Mieten zu demonstrieren.
- Diverse Aktionsbündnisse hatten zu Protesten aufgerufen.
- Zentrum der Proteste ist Berlin. In kaum einer anderen Stadt sind die Mieten in den letzten Jahren so rasant gestiegen.
- Die Wohnungspreise haben sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt.
Nun reicht es, sagt eine Gruppe von Berlinerinnen und Berlinern. Ab heute sammeln sie Unterschriften, um grosse Wohnungskonzerne zu «enteignen» – per Volksentscheid. Das Vorhaben sorgt weit über die Stadt hinaus für Schlagzeilen.
Das Grundgesetz lasse eine solche Enteignung zu, sagt Aktivist Rouzbeh Taheri. Die Konzerne trieben die Mieten in der Stadt in die Höhe, es brauche eine radikale Lösung.
Aufrütteln ist das Ziel
«Das heisst konkret, dass nach Artikel 15 des Grundgesetzes die Bestände vergesellschaftet werden. Wir haben das Wort Enteignen gewählt, um zu provozieren», sagt Taheri. Dies sei ihnen auch gelungen. «Weil wir finden, dass hier eine tägliche Enteignung von Mietern stattfindet. Seit Jahren.»
Wir haben das Wort Enteignen gewählt, um zu provozieren.
Aufrütteln, das ist das Ziel. Das Problem ist bekannt, passiert ist aber wenig. Günstige Wohnungen verschwinden, die Wut der Mieter wächst.
Dahinter steckt politisches Versagen: Die Stadt hat viele Wohnungen um die Jahrtausendwende billig verkauft. Nun sollen diese zurück in die öffentliche Hand, fordern die Initianten.
Nur eine Frage der Kosten?
Verfassungswidrig sei das, sagt Helge Sodan. Er war oberster Verfassungsrichter Berlins und hat im Auftrag der betroffenen Konzerne ein Gutachten erstellt. «Zu einer sozialen Marktwirtschaft passt keine Sozialisierung, keine Enteignung von Unternehmen.
Im Übrigen müssen wir vor allem berücksichtigen, dass diese Sozialisierung mit immensen Kosten verbunden wäre», sagt Sodan. Nach der amtlichen Schätzung würden bis zu 39 Milliarden Euro benötigt.
Berlin ist hoch verschuldet
Taheri kontert: «Das wichtige ist, dass wir keine Spekulationspreise bezahlen wollen. Die Spekulationspreise sind durch die Wohnungskonzerne erst zustande gekommen, und wir werden sie dafür nicht auch noch belohnen.» Teuer würde es auf jeden Fall. Und das ist der Knackpunkt, denn Berlin ist hoch verschuldet.
Die Aussichten auf Erfolg sind allein deshalb gering. Doch die renitenten Berliner sorgen für Aufsehen. Und setzen die Politik unter Druck, das Problem endlich anzugehen. In der Stadt fehlen laut Experten 300'000 bezahlbare Wohnungen – in ganz Deutschland sind es eine Million.