Iran hat seine Drohung wahr gemacht und Israel direkt angegriffen. Mehr als 300 Drohnen und Raketen sind gemäss israelischem Militär auf Israel abgefeuert worden; der grösste Teil davon konnte abgefangen werden, auch dank der Hilfe anderer Staaten wie Frankreich, Grossbritannien, Jordanien und den USA. Wie zentral der Konflikt für die USA und die Biden-Regierung ist, weiss USA-Kenner Thomas Jäger.
SRF News: Mehrere Staaten haben Israel unterstützt und Drohnen und Raketen abgefangen. Wie wichtig war dabei die Unterstützung der USA?
Thomas Jäger: Diese war ausschlaggebend. Man wusste, dass ein solcher Angriff bevorsteht. Die amerikanischen Dienste hatten festgestellt, dass der Iran ballistische Raketen in Stellung gebracht hatte.
In den USA interessiert sich nur eine kleine Zahl von Wählerinnen und Wählern für die Kriege im Nahen Osten und der Ukraine. Aber diese Kreise haben insbesondere bei den Demokraten ein erhebliches Gewicht.
Israel hat noch nicht auf den iranischen Angriff reagiert. Wie viel hat diese Zurückhaltung mit den USA und ihrem Einfluss auf Israel zu tun?
Sehr viel. In der israelischen Regierung ist es vor allem die religiöse Rechte, die Druck macht, dass man hart zurückschlagen müsste. Die rechten israelischen Parteien könnten als einzige Netanjahu zu Fall bringen, wenn sie die Koalition verlassen. Die Regierung aber ist in einer komfortablen Lage: Sie hat den Angriff aus Iran abgewehrt und möchte auf der anderen Seite den Krieg in Gaza weiterführen. Auch Joe Biden hat Interesse daran, dass ein wenig Ruhe einkehrt und der Krieg nicht weiter eskaliert, damit er seine Unterstützung für Israel in den USA besser vertreten kann. Wenn der Krieg nicht nur in Gaza, sondern mit dem Iran geführt wird, dann braucht Israel die Unterstützung der USA.
Für die USA geht es einerseits darum, eine grosse Eskalation zwischen Iran und Israel zu verhindern, und andererseits darum, den Gazakrieg nicht weiter ausarten zu lassen. Wie kann die Biden-Regierung damit umgehen?
Sie wird auf der einen Seite weiter dafür sorgen, dass die humanitäre Unterstützung in Gaza intensiviert wird. Auf der anderen Seite wird man die Streitkräfte in der Region behalten, um den Iran abzuschrecken. Denn auch wenn der Iran nun sagt, man habe Vergeltung geübt, so hat letztlich die Abschreckung der Vereinigten Staaten seit Oktober 2023 mit dazu geführt, den Krieg dort einzuhegen, weil jeder weiss, dass die Vereinigten Staaten, wenn es dazu kommt, Israel unterstützen würden. Ebenfalls muss Biden berücksichtigen, dass der Ölpreis einigermassen im Rahmen bleibt. Denn der Ölpreis und letztlich der Benzinpreis sind wichtige Faktoren, wenn in den Vereinigten Staaten im Spätherbst gewählt wird.
Welchen Einfluss hat die aktuelle Situation auf den Wahlkampf von Joe Biden?
In den USA interessiert sich nur eine kleine Zahl von Wählerinnen und Wählern für die Kriege im Nahen Osten und der Ukraine. Aber diese Kreise haben insbesondere bei den Demokraten ein erhebliches Gewicht. In diesem Zusammenhang ist interessant, was Donald Trump gemacht hat: Man könnte meinen, die entsprechenden Wählerinnen und Wähler entscheiden sich sowieso für Biden, weil Trump eng vertraut ist mit Netanjahu. Trump aber hat Netanjahu unter Druck gesetzt und gesagt, dass der israelische Ministerpräsident die Situation im Gazastreifen beenden müsse, um diesen linken Wählern den Impuls zu geben: Meinetwegen braucht ihr Biden nicht zu wählen, bleibt zu Hause. Das wäre für Biden ein ernstes Problem.
Das Gespräch führte Peter Hanselmann.