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EU-Mikroplastikverbot Das hat es mit dem vermeintlichen «Glitzerverbot» auf sich

Die EU sagt dem Mikroplastik in Spielzeugen, Schminke oder Glitzer den Kampf an. Wie beeinflusst das die Menschen?

Die Europäische Union hat am 25. September ein Verbot erlassen, das dem Mikroplastik den Kampf ansagt. Unter anderem wird der Verkauf von konventionellem Glitzer künftig untersagt. Das hat bei Influencerinnen und Nutzern für Empörung gesorgt: In Deutschland trendet auf Tiktok der Hashtag «Glitzerverbot». Hat der Glitzer in der EU tatsächlich ausgedient? Die wichtigsten Antworten zum EU-Beschluss.

Was beinhaltet das Verbot? Der Verkauf von Mikroplastik wird in der EU in verschiedenen Bereichen schrittweise verboten. Untersagt wird der Verkauf von Mikroplastik als solchem sowie Produkten, denen Mikroplastik zugesetzt wurde und dieses bei der Verwendung freigesetzt wird. Das Verbot betrifft unter anderem Kosmetika wie Peelings oder Glitzer, Granulat auf Sportplätzen, Spielzeug oder Pflanzenschutzmittel. Das Verbot von Mikroperlen und losem Glitzer soll bereits in den nächsten Tagen gelten, in anderen Fällen soll es erst in den kommenden Jahren in Kraft treten. Von einem «Glitzerverbot» kann allerdings nicht die Rede sein. Denn viele Produkte enthalten kein Mikroplastik mehr. Für Glitzer beispielsweise gibt es biologisch abbaubare Alternativen.

Auch bald in der Schweiz?

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Legende: KEYSTONE/DPA/Gregor Fischer

Ob die Schweiz ein solches Verbot künftig übernehmen wird, ist unklar. In den letzten Jahren hatte der Bundesrat verschiedene Motionen zum Thema ablehnend beantwortet. Das Bundesamt für Umwelt Bafu schreibt auf Anfrage, es werde die neuen EU-Vorschriften prüfen und entsprechende Anpassungen vorschlagen.

Warum dieses Verbot? Zum Beispiel besteht herkömmlicher Glitzer normalerweise aus Mikroplastik, der biologisch nicht abbaubar ist. Die Glitzerpartikel sind sehr klein und durchlaufen – zumindest bei älteren Kläranlagen – das Abwassersystem, ohne aufgehalten zu werden. So kommt der Stoff ins Grundwasser und in die Umwelt. Laut der EU-Kommission soll mit den neuen Vorschriften eine halbe Million Tonnen weniger Mikroplastik freigesetzt werden.

600 Tonnen Mikroplastik in der Schweiz

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In der Schweiz werden mehr als 600 Tonnen Mikroplastik pro Jahr freigesetzt. Das berichtet Bernd Nowack von der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in St. Gallen gegenüber dem «Tages-Anzeiger».

Ist es der berühmte Tropfen auf dem heissen Stein? Ja, sagt Patricia Holm, Professorin für Ökologie an der Universität Basel. Allerdings gäben viele Tropfen einen Liter. «Wir bringen so viel Plastik in die Umwelt und es wird so viel Mikroplastik in der Umwelt gewissermassen versenkt, dass wir auf keinen dieser Tropfen verzichten können.»

Patricia Holm

Patricia Holm

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Die Biologin Patricia Holm ist seit über 20 Jahren Professorin für Ökologie im Departement für Umweltwissenschaften an der Universität Basel und forscht zum Thema Mikroplastik.

Reichen bestehende Beschränkungen nicht aus? Nein, sagt Patricia Holm. Es brauche «unbedingt» mehr Massnahmen. Dabei müsse auch das Bewusstsein der Konsumierenden angesprochen werden. Denn Plastik gelange aus sehr vielen Anwendungsbereichen in die Umwelt und die Plastikproduktion steige weltweit weiterhin fast exponentiell an.

Granulat auf Kunstrasen ein Umweltproblem

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Das Granulat auf Kunstrasenplätzen und anderen Sportanlagen ist laut EU-Kommission die grösste Quelle für die Freisetzung von zugesetztem Mikroplastik, und damit ein Umweltproblem. Das Verbot soll in diesem Bereich nach acht Jahren in Kraft treten – «um den Besitzern und Betreibern von Sportplätzen die Zeit zu geben, auf Alternativen umzusteigen», heisst es in einer Mitteilung der EU-Kommission.

Bringen Verbote etwas? Zwar könne man das Mikroplastikproblem damit nicht aus der Welt schaffen, sagt Patricia Holm, aber man könne es einschränken. Zudem sei es notwendig, dass Herstellerverbände von sich aus Massnahmen entwickeln und umsetzen. «Wir müssen an vielen Stricken gleichzeitig ziehen, um dieses hausgemachte Problem einigermassen in den Griff zu bekommen.»

Mikroplastik aus der Umwelt wieder zu entfernen, ist ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen.
Autor: Patricia Holm Biologin

Ist Mikroplastik im Wasser schlimmer als im Boden? Nein, sagt Holm. Untersuchungen würden zeigen, dass es genau gleich problematisch sei. Die Plastikprodukte zerfielen in immer kleinere Partikel und dieser Mikroplastik kann dann im Wasser genauso wie im Boden von den entsprechenden Organismen aufgenommen werden.

Nicht einfach wieder ausscheidbar

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Man könne Mikroplastik nicht einfach wie Sand oder Erde ausscheiden. Holm erklärt: Je kleiner die Plastikpartikel seien, desto grösser die Gefahr, dass es ins Blut und damit ins Gewebe gerate.

Hinzu komme, dass gewisse Zusatzstoffe, die dem Plastik beigesetzt würden, um ihn farbig, weich und formbar oder widerstandsfähig gegen UV-Strahlung zu machen, sehr giftig seien und Auswirkungen auf die Fortpflanzung von Mensch und Tier hätten.

Kann man Mikroplastik aus der Umwelt entfernen? Nein, sagt Holm. Würde man Mikroplastik in einem Fluss mit feinmaschigen Netzen einfangen wollen, würde man auch Kleinstlebewesen einfangen, die dort bleiben sollten, weil sie für die Fotosynthese und für die Nahrungskette wichtig seien. «Mikroplastik aus der Umwelt wieder zu entfernen, ist ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen.» Es sei deshalb Eile angesagt.

Audio
Archiv: Mikroplastik – zu Wasser, zu Land und in aller Munde
aus Treffpunkt vom 17.08.2023. Bild: Keystone / Georg Hochmuth
abspielen. Laufzeit 57 Minuten 14 Sekunden.

SRF 4 News, 25.9.2023, 16:00 Uhr;

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