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EU reagiert auf Johnsons Pläne Kommt es zu Nachverhandlungen in letzter Minute?

  • Die jüngsten Vorschläge des britischen Premierministers Boris Johnson zum Brexit-Abkommen stossen in Brüssel auf Skepsis.
  • Mehrere Vertreter der EU sehen in den Plänen zwar Fortschritte, sie orten aber auch Probleme – insbesondere an der inneririschen Grenze.
  • So oder so ist die Zeit für Neuverhandlungen äusserst knapp: Johnson will Grossbritannien unbedingt Ende Monat aus der EU führen.

Vier Wochen vor Ablauf der Frist für den Austritt aus der EU hat der britische Premierminister Boris Johnson der EU – in seinen eigenen Worten – einen «Kompromiss» angeboten, der den Streit um die innerirische Grenze beenden soll. Johnson will, dass auch Nordirland aus dem Zollgebiet der EU austritt.

Dazu bräuchte es Warenkontrollen zwischen Irland und Nordirland. Diese sollen gemäss dem Vorschlag zwar möglichst unsichtbare High-Tech-Kontrollen sein, doch solche existieren bislang nur auf dem Papier.

Vorschlag «nicht vielversprechend»

Die EU will jedoch keine Warenkontrollen auf der irischen Insel. In Brüssel nahm man den Vorschlag denn auch nicht gerade mit Begeisterung auf. Leo Varadkar, der irische Regierungschef, nannte ihn «nicht vielversprechend». Und Guy Verhofstadt, der Brexit-Beauftragte des Europaparlaments, sagte, die Reaktion der Brexit-Steuerungsgruppe sei «nicht positiv».

Damit scheint jetzt schon klar: Der EU reicht Johnsons Vorschlag nicht. Zumindest soll aber die Tür für weitere Gespräche offen sein. So sagten die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Abend, sie würden sich den Vorschlag im Detail ansehen und mit der britischen Regierung darüber reden.

Sebastian Ramspeck: «Am Ende ist vieles möglich»

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SRF News: Die EU hat immer betont, der Brexit-Vertrag werde nicht nachverhandelt. Nun erwägt sie weitere Gespräche. Was heisst das?

Sebastian Ramspeck, SRF-Korrespondent in Brüssel: Dass die EU nun trotzdem bereit ist, über die neuen Vorschläge zu reden, zeigt, dass solche Aussagen immer mit grösster Vorsicht zu geniessen sind. Die Lage ist ungemütlich für alle Beteiligten. Ein Austritt Grossbritanniens aus der EU ohne Abkommen wäre die schlechtest mögliche Lösung. Denn so gäbe es erst recht wieder Grenzkontrollen auf der irischen Insel. Die Gefahr eines «No Deal Brexit» führt dazu, dass die EU weitere Gespräche nicht ausschliesst. Aber von einer Einigung scheint man noch weit entfernt.

Johnson will unbedingt, dass die Briten am 31. Oktober aus der EU austreten. Reicht die Zeit überhaupt noch, um zu verhandeln?

Eigentlich nicht, denn die Fragen, um die es geht, sind sehr komplex, politisch heikel und praktisch sehr kompliziert. Normalerweise wären das monatelange, wenn nicht jahrelange Verhandlungen. Eine Einigung müsste aber eigentlich schon bis 19. Oktober auf dem Tisch liegen. Das ist die Frist, die sich das britische Parlament gesetzt hat. In den Tagen davor findet ein Gipfeltreffen Johnsons mit den anderen Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel statt. Eigentlich bleiben also nur noch zwei Wochen.

Glauben Sie an einen Durchbruch in letzter Minute?

Dazu fehlt mir derzeit die Fantasie. Ich weiss aber auch: Am Ende ist vieles möglich und die EU ist geübt darin, die unmöglichsten Probleme zumindest auf dem Papier irgendwie zu lösen. Warten wir es ab, das Brexit-Drama hat ja schon oft unerwartete Wendungen genommen.

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