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EU-Spitzen in Dänemark Europas militärische Stärke zeigt sich nicht im Sitzungszimmer

In Dänemark dürfen diese Woche keine zivilen Drohnen abheben: Absolutes Flugverbot, nachdem letzte Woche nicht identifizierte Drohnen über mehreren Flughäfen im Land kreisten und wieder abzogen.

Im Hafen von Kopenhagen ankert darum das deutsche Kriegsschiff «Hamburg». Militäreinheiten aus Schweden, Frankreich, Norwegen und sogar den USA unterstützen die dänischen Sicherheitskräfte dabei, den Luftraum zu bewachen.

Dies soll Entschlossenheit und Stärke markieren.

Schutz der EU-«Ostflanke»

Mit dem vor Augen sind die 27 EU-Staats- und Regierungschefinnen und -chefs in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen zusammengekommen und haben über einen breit angelegten Aufrüstungsplan für die kommenden fünf Jahre diskutiert. Formell soll diese «Roadmap» Ende Monat an einem weiteren EU-Gipfel politisch beschlossen werden.

Bereits beschlossen ist ein europäischer Sonderfonds von 150 Milliarden Euro. Zwei Drittel der Gelder sollen den nordosteuropäischen EU-Staaten zukommen. Sie haben den Auftrag, die «Ostflanke» der EU besser zu schützen. Wie nötig und dringlich dies ist, zeigen die gezielten Provokationen Russlands, die Verteidigungsbereitschaft der EU-Länder zu testen – und blosszustellen.

Entschlossen wollen fast alle EU-Staaten darauf reagieren. Das Ziel ist unbestritten. Seit Monaten wird die europäische Bevölkerung an den Gedanken gewöhnt, dass Europa sich zwar noch nicht nahe an einem Krieg befindet, aber es sich auch nicht mehr im garantierten Frieden bequem machen kann.

Wer zahlt, will befehlen

Wer nun erwartet, dass sich die EU-Staaten noch entschlossener hinter einen Umsetzungsplan zur militärischen Aufrüstung einreihen, täuscht sich.

Zunächst einmal wird darum gerungen, wer steuern und entscheiden darf. Die EU-Kommission erhebt einen Führungsanspruch, logisch. Die EU-Staaten sehen das skeptisch. Niemand ist gegen bessere Koordination oder gemeinsame Beschaffungen von Verteidigungssystemen. Steuern wollen das die EU-Staaten aber unter sich. Jedes Land für sich hat bekanntlich ein Vielfaches an Investitionen zu tätigen. Wer zahlt, will befehlen.

Und wer befehlen will, will auch dafür sorgen, dass die eigene Rüstungsindustrie maximal vom Aufrüstungsprogramm profitiert. Das setzt dem gemeinschaftlichen EU-Aufrüstungsplan klare Grenzen.

Stärke zeigt sich nicht im Sitzungszimmer

Unbestritten, die EU macht grosse Integrationsschritte in der Verteidigungspolitik – im Vergleich zu den letzten Jahrzehnten. Aber es ist nicht ausreichend, sich über regelmässige Treffen in einem EU-Rat der Verteidigungsminister zu freuen.

Militärische Stärke muss die EU nicht in Sitzungszimmern, sondern am Boden, in der Luft und sogar im Weltraum zeigen. Da müssen die EU-Staaten noch einen sehr weiten Weg gehen.

Und in der Zwischenzeit sollen sich alle 27 EU-Verteidigungsminister von ukrainischen Soldaten erklären lassen, wie man täglich Dutzende Drohnen abfangen kann.

Charles Liebherr

EU-Korrespondent

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Charles Liebherr ist EU-Korrespondent von Radio SRF. Davor war er unter anderem in der SRF-Wirtschaftsredaktion tätig, später war er Frankreich-Korrespondent. Liebherr studierte in Basel und Lausanne Geschichte, deutsche Literatur- und Sprachwissenschaft sowie Politologie.

Echo der Zeit, 1.10.2025, 18 Uhr; sten

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