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EU-Taxonomie in Deutschland Greenwashing-Vorwurf: Umweltorganisationen ziehen vor Gericht

  • Umweltorganisationen wollen die Aufnahme von Erdgas und Atomkraft in die EU-Liste klimafreundlicher Investitionen verhindern.
  • Für ihr Anliegen wollen Greenpeace, WWF, die Naturschutzorganisation Bund und andere Verbände vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.
  • Dies teilten sie in einem gemeinsamen Statement mit.

Die Klagen der Umweltorganisationen richten sich gegen eine Liste von Investitionen, die in Europa als nachhaltig bezeichnet werden können. Die Neuaufnahme von Erdgas und Atomkraft in die EU-Taxonomie sei jedoch Greenwashing, so die NGOs, welche vor dem Gerichtshof mit Bannern gegen die Klimapolitik der EU protestieren.

Was ist die EU-Taxonomie?

Das Europäische Parlament hatte im Juli 2022 den Weg für das umstrittene Öko-Label freigemacht. Die Taxonomie soll Investoren und Banken einen Leitfaden geben, welche Technik als nachhaltig einzustufen ist. Sie hat für die Finanzbranche eine grosse Bedeutung, da immer mehr Investorinnen und Investoren nur in grüne Technologien einsteigen wollen.

Im vergangenen Jahr wurde bereits entschieden, unter anderem die Stromproduktion mit Solarpaneelen, Wasserkraft oder Windkraft als klimafreundlich einzustufen. Zudem wurden Kriterien für zahlreiche andere Wirtschaftsbereiche festgelegt.

Unter dem Druck einiger Mitgliedstaaten schlug die für Gesetzesvorschläge zuständige EU-Kommission dann Ende vergangenes Jahr vor, dass auch Geldanlagen in Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich gelten sollen.

Das sorgte für Diskussionen und Kritik, da beim Verbrennen von Gas klimaschädliches CO₂ ausgestossen wird und bei der Nutzung von Atomenergie radioaktiver Müll entsteht.

Verbände und Länder klagen gegen EU-Taxonomie

Die Klägerinnen und Kläger werfen der EU-Kommission «Greenwashing» vor. «Fossiles Gas ist nicht sauber, nicht billig und keine sichere Energiequelle», sagte eine Sprecherin von vier Umweltorganisationen, darunter ClientEarth und WWF.

Person in schwarzen Hosen und mit riesigem Kunstkopf hält Schild mit «nachhaltig» darauf. Daneben gelbe Behälter.
Legende: Ein Demonstrant protestiert Anfang Januar vor dem Berliner Kanzleramt in einer Maske des deutschen Bundesministers Olaf Scholz. Klimaschützer forderten von ihm ein klares Nein zur EU-Taxonomie. REUTERS/Michele Tantussi

Die Umweltorganisation Greenpeace argumentiert in ihrer Klage, dass die EU mit der EU-Taxonomie-Liste gegen ihre eigenen Klimagesetze verstosse. «Die EU-Kommission darf nicht das Problem als Lösung verkleiden. Atom und Gas können nicht nachhaltig sein», sagte die Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland, Nina Treu.

Während Greenpeace gegen das grüne Label für Atom und Gas vorgehen will, richtet sich die Klage anderer Gruppen speziell gegen die Einstufung von Gas. «Mit der Entscheidung, fossiles Erdgas als klimafreundlich zu klassifizieren, hat sich die EU-Kommission sowohl faktisch als auch rechtlich auf sehr dünnes Eis begeben», sagte der Vorsitzende der Organisation Bund für Umwelt und Naturschutz (Bund), Olaf Bandt.

Österreich hat im Oktober 2022 ebenfalls Klage gegen die EU-Taxonomie eingereicht. Auch Luxemburg, Spanien und Dänemark kritisierten die EU-Einstufung. Polen und Bulgarien hingegen verteidigen Gaskraftwerke als Alternative zu Kohlekraftwerken.

Eine entscheidende Rolle bei der Anpassung der Liste spielt Frankreich, das in der Atomkraft eine Schlüsseltechnologie für eine CO2-freie Wirtschaft sieht. Deutschland setzte sich im Gegenzug für ein grünes Label für Gas als Übergangstechnologie ein.

«Fit for 55»: Der grüne EU-Plan

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Die EU will bis 2030 seine CO2-Emissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 senken und bis 2050 klimaneutral werden. Im Rahmen des sogenannten «Fit for 55»-Plans hat das EU-Parlament nun mehreren wichtigen Klimaschutzgesetzen mit breiter Mehrheit zugestimmt.

Die Abgeordneten votierten in Strassburg unter anderem für eine Verschärfung des Emissionshandels. Dabei müssen etwa Unternehmen Verschmutzungszertifikate kaufen, wenn sie Kohlendioxid ausstossen. Die Zahl der Verschmutzungsrechte soll nun aber schneller verringert werden und kostenlose Zertifikate für Firmen sollen bis 2034 auslaufen.

Zugleich sollen stärkere Schutzmechanismen für europäische Unternehmen greifen. Künftig müssen auch Produzenten im Ausland für den Ausstoss von CO2 zahlen, wenn sie ihre Ware in der EU verkaufen wollen – durch einen sogenannten CO2-Grenzausgleich, der ab 2034 vollständig gelten soll.

Zudem soll es einen Klimasozialfonds geben, der Mehrausgaben für Verbraucher durch die Energiewende – etwa steigende Heizkosten – abfangen soll.

Nun muss der Europäischen Gerichtshof darüber entscheiden, ob die Einstufung für Atomkraft und Gas als klimafreundlich gerechtfertigt ist. Die mündliche Verhandlung wird für das kommende Jahr erwartet. Mit einem Urteil ist allerdings nicht vor dem Jahr 2025 zu rechnen.

SRF4 News, 18.4.2023, 01:00 Uhr ; 

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