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Die Verharmlosung von Mussolini
Aus Echo der Zeit vom 13.05.2019. Bild: Keystone
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EU-Wahlen in Italien Mussolinis Urenkel kandidiert fürs EU-Parlament

Neofaschisten gibt es nicht viele in Italien. Doch der Diktator wird verharmlost. Das könnte seinem Nachfahren helfen.

Mussolini will nach Brüssel ins Europa-Parlament, genauer gesagt: Caio Giulio Cesare Mussolini, der Urenkel von Benito, dem faschistischen Diktator. Mussolini kandidiert für die nationalkonservative Partei «fratelli d’Italia» – Brüder Italiens.

In Interviews spricht der Mann mit dem klingenden Namen – er ist nach Gaius Julius Cäsar benannt – regelmässig über seinen Urgrossvater und dessen Diktatur: «Komplex ist der Faschismus gewesen, man kann ihn weder als gut noch als schlecht bezeichnen.»

Caio Giulio Cesare Mussolini weigert sich, die faschistische Diktatur, der rund eine Million Menschen zum Opfer fielen, ohne Wenn und Aber zu verurteilen.

Vollkommen unkritische Berichterstattung

Damit steht er nicht allein da. Vor einigen Wochen berichtete die RAI, das staatliche Fernsehen, aus Predappio, jenem Ort in der Emilia Romagna, in dem Benito Mussolini geboren und begraben wurde. Dieses Dorf mit seiner Mussolini-Gruft ist seit jeher der Treffpunkt all jener, die dem Duce hinterherhängen.

Mussolini sei die wichtigste Persönlichkeit der italienischen Geschichte, sagt ein etwa 50-Jähriger ins Mikrofon des RAI-Journalisten. Und eine über 80-jährige Frau sagt, unter Mussolini sei alles besser gewesen. Diese faschistische Propaganda hinterfragt der Berichterstatter mit keiner Silbe und lässt auch keinen Historiker zu Wort kommen.

Das war dann selbst in Italien, wo solches oft zu hören ist, zu viel. Unter massivem öffentlichem Druck räumte der Chefredaktor unterdessen seinen Sessel.

Mussolinis Verherrlichung

Die Verherrlichung des italienischen Faschismus setzte nach Mussolinis Tod 1945 ein. Damals entstand eine neofaschistische Partei, das Movimento Sociale Italiano, das bei nationalen Wahlen bis zu 8 Prozent der Stimmen auf sich vereinigte. Diese Partei war stets in der Opposition und wurde Mitte der 1990er-Jahre aufgelöst.

Weit mehr Einfluss auf die öffentliche Meinung hatte die Verharmlosung Mussolinis und des Faschismus’ durch Politiker der bürgerlichen Mitte. Besonders gravierend waren Bemerkungen Silvio Berlusconis. Der langjährige Premier sagte einmal, er habe ein Buch über die grossen Diktatoren gelesen und behauptete dann, Mussolini sei wohl keiner gewesen.

Aufgrund solcher Aussagen verbreitete sich in Italien die Meinung, der Faschismus sei gar nicht so schlimm oder gar fortschrittlich gewesen. So wird regelmässig kolportiert, Mussolini habe die Sümpfe südlich von Rom trockengelegt. Dabei reichen entsprechende Anstrengungen bis weit in die Zeit vor dem Faschismus zurück.

Auch Salvini relativiert den Faschismus

Zuletzt hat Lega-Chef und Vize-Premier Matteo Salvini mit seiner Haltung zum Faschismus Aufsehen erregt. So blieb er im April den Feierlichkeiten zum Sieg über den Faschismus demonstrativ fern. Oder ein Buch, das ein langes Interview mit Salvini enthält, erscheint bei einem Verleger, der den Neofaschisten nahesteht.

Das seien klar kalkulierte Botschaften, sagt der Politologe und Meinungsforscher Lorenzo Pregliasco. Gerichtet seien sie weniger an neofaschistische Wähler, von denen es in Italien wenig gibt, sondern an jene Leute, die Mussolini und dessen Diktatur verharmlosten: «20 bis 30 Prozent der Italienerinnen und Italiener meinen, der Duce und der Faschismus hätten auch viel Gutes gebracht.»

Auf genau diese Leute hatte es einst Berlusconi abgesehen und heute buhle Matteo Salvini um diese Wählerschaft.

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