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Europäische Seeschutzoperation Die Briten allein wären überfordert

Als die Amerikaner von zwei Wochen die Europäer einluden, sich an einer temporären Marineallianz zum Schutz der Meere rund um die Arabische Halbinsel zu beteiligen, ernteten sie erst mal Schweigen. Der Appetit, sich unter US-Führung an einer de facto gegen den Iran gerichteten Operation zu beteiligen, ist gering.

Nun fordern die Briten von den übrigen Europäern Schützenhilfe. Sie betonen klugerweise, dass es ihnen nicht darum gehe, sich an der US-Politik des maximalen Drucks auf den Iran zu beteiligen. Es sollen einzig Schiffe im Persischen Golf und in der Strasse von Hormus vor iranischen Übergriffen geschützt werden.

«Atalanta» als Vorbild

Das aktuelle Vorbild ist die europäische Marineoperation «Atalanta» zur Abwehr somalischer Seepiraten am Horn von Afrika. Das Beispiel zeigt: Eine solche Operation kann erfolgreich sein, wenn sich genügend Kriegsmarinen daran beteiligen und sich gut koordinieren.

Im jetzigen Fall wären die Briten allein überfordert, Frachter und Tanker vor iranischen Kaperungen zu schützen. Doch es könnten sich auch Franzosen, Deutsche, Italiener, Dänen, Norweger, Spanier und andere beteiligen. Sie alle verfügen über geeignete Kriegsschiffe. Der Iran wiederum besitzt nur bescheidene Seestreitkräfte. Aber gleich vor der eigenen Haustür können sie bereits mit bewaffneten Patrouillenbooten einiges erreichen, vor allem wenn sie ohne Skrupel operieren. Jedenfalls ist die iranische Marine ein wesentlich respekteinflössenderer Gegner als somalische Piraten. Hingegen dürfte es der Iran kaum auf direkte Konfrontationen mit europäischen Kriegsschiffen ankommen lassen.

Teure Ferneinsätze

Die Europäer werden sich, wenn sie nun von den Briten gedrängt werden, folgendes überlegen. Erstens: Ferneinsätze von Kriegsschiffen sind enorm teuer. Internationale Marinemissionen sind zudem planungsintensiv und zeitaufwendig – es dauert allein schon Wochen, bis eine Flotte vor Ort wäre. Zweitens wird man in manchen Hauptstädten nur dann zum Mitmachen bereit sein, wenn absehbar ist, dass eine Operation nur temporär nötig ist und nicht monate- oder gar jahrelang fortgeführt werden müsste. Das heisst: Möglichst bald müssten Verhandlungen mit Teheran dazu bewegen, nicht weitere Schiffe zu kapern. Und drittens dürften viele befürchten, dass auch eine europäische Militäroperation, ausschliesslich zum Schutz ziviler Schiffe im gegenwärtigen Klima den Konflikt mit dem Iran verschärft.

Die Briten müssen also noch reichlich Überzeugungsarbeit leisten.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

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