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Europäisches Parlament Später Bruch der Volkspartei mit Ungarns EU-Abgeordneten

Sehr spät hat sich die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament doch noch durchringen können, zu entscheiden, ein ewiges Reputationsrisiko loszuwerden. Die zwölf ungarischen Störenfriede von Orbans Fidesz-Partei in der EVP stören ja nicht erst seit gestern.

Schon vor zwei Jahren forderten darum die Abgeordneten der EVP-Gruppe aus den nordischen Ländern und aus den Benelux-Staaten den Bruch mit den Gewählten aus Ungarn. Erreicht haben sie nur, dass die Mitgliedschaft der Fidesz-Partei in der europäischen Parteien-Familie der EVP seit zwei Jahren suspendiert ist. Mehr nicht.

Zu viel Provokation

Die schützende Hand über Fidesz in der EVP-Gruppe hielten bisher jeweils die deutschen Christdemokraten, die CDU/CSU-Fraktion im Europäischen Parlament. Es ist kein Geheimnis, dass vor allem Angela Merkel diese Linie vorgab.

Nun ist das Ende von Merkels Amtszeit im Kanzleramt absehbar – und darum scheinen mehr Partei-Mitglieder gewillt, etwas eigenständiger zu entscheiden. Die bisherige Einbindungs-Strategie der CDU konnte nicht überzeugen: Die Vertreterinnen und Vertreter der Fidesz-Partei provozierten ungehindert weiter.

Zuletzt warf der ungarische Abgeordnete Tamas Deutsch dem CSU-Fraktions-Präsidenten Manfred Weber vor, mit Gestapo-Methoden zu politisieren. Das war dann sogar der machtbewussten deutschen Delegation zu viel.

Klare Ansage fehlt

Der ungarische Regierungschef Viktor Orban hat schon vor dem Entscheid der EP-Fraktionssitzung klargemacht, dass er bei einer Änderung der Geschäftsordnung von sich aus bestimmen werde, dass seine Abgeordneten im EU-Parlament aus der EVP-Fraktion auszutreten haben. So ist es nun geschehen. Nur scheinbar eröffnet das der EVP-Fraktion einen einfachen Pfad, Fidesz loszuwerden.

Es wäre ja auch eine Option gewesen, mit einem Fraktions-Beschluss unmissverständlich klar zu machen, dass Ungarns Christdemokraten nicht die grundlegenden Werte der Europäischen Volkspartei teilten. Das wäre dann die späte klare Ansage gewesen, die sich viele in der EVP-Fraktion eigentlich schon lange wünschten. Zumal die EVP-Fraktion nichts verlieren würde. Sie bleibt ja die stärkste Kraft im EU-Parlament.

Nun bleibt eine letzte Gelegenheit für eine klare Ansage: Im Juni soll an einem Parteikongress entschieden werden, Orbans Fidesz definitiv aus der Europäischen Volkspartei auszuschliessen.

Charles Liebherr

EU-Korrespondent

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Charles Liebherr ist EU-Korrespondent von Radio SRF. Davor war er unter anderem in der SRF-Wirtschaftsredaktion tätig, später war er Frankreich-Korrespondent. Liebherr studierte in Basel und Lausanne Geschichte, deutsche Literatur- und Sprachwissenschaft sowie Politologie.

Rendez-vous, 03.03.2021, 12:30 Uhr

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