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Ex-Filmogul Gericht hebt historisches Urteil gegen Harvey Weinstein auf

  • Ein Gericht in New York hat die historische Verurteilung des ehemaligen Filmmoguls Harvey Weinstein wegen Sexualverbrechen aufgehoben. Der Grund sind prozessuale Fehler.
  • Die Richter gaben am Donnerstag in einer überraschenden Entscheidung der Berufung des 72-Jährigen statt, wie aus einem Gerichtsdokument hervorging.
  • Es blieb am Donnerstag zunächst unklar, welche Auswirkungen die Aufhebung des Urteils auf Weinstein haben wird, der in einem Gefängnis im Bundesstaat New York sitzt. Wegen der Verurteilung im zweiten Prozess aus Kalifornien wird er nicht auf freien Fuss kommen.

Das Berufungsgericht von New York kam in einer 4:3-Entscheidung zu dem Schluss, dass der damalige Richter einen Fehler begangen habe: Er habe die Staatsanwaltschaft Aussagen von Frauen einbringen lassen, obwohl sie nicht Teil der Anklage gewesen seien. Sie sagten aus, Weinstein habe sie angegriffen.

Zudem wurde entschieden, dass der Richter den Fehler noch verschlimmert habe, indem er Weinstein einem Kreuzverhör ausgesetzt habe. Dieses habe ihn in einem «höchst nachteiligen» Licht dargestellt. «Die Abhilfe für diese ungeheuerlichen Fehler ist ein neues Verfahren», so das Gericht.

Prozess mit viel Aufsehen

In dem aufsehenerregenden Prozess ging es vor allem um zwei Vorwürfe: Weinstein soll 2006 die Produktionsassistentin Mimi Haleyi zum Oralsex gezwungen und die heutige Friseurin Jessica Mann 2013 vergewaltigt haben. Tatsächlich stützte sich die Anklage bei dem weltweit beachteten Fall auf eine Reihe von Zeuginnen, die Weinstein sexuelle Übergriffe vorwarfen, die allerdings nicht Teil der Anklage waren. Die Staatsanwaltschaft wollte mit ihrer Hilfe zeigen, dass die Taten Weinsteins einem wiederkehrenden Muster folgten.

Der erste Weinstein-Prozess markierte einen Meilenstein der Rechtsgeschichte – auch deshalb, weil die ehemalige Hollywood-Grösse vor allem auf Basis der Aussagen von Zeuginnen für schuldig befunden wurde, obwohl er selbst stets seine Unschuld beteuerte. Materielle Beweise spielten in dem Verfahren eine untergeordnete Rolle.

Auslöser der «Me too»-Bewegung

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Im Oktober 2017 hatten die Schauspielerin Ashley Judd und andere Frauen erstmals in einem investigativen «New York Times»-Artikel öffentlich ausgepackt. Weitere Frauen warfen dann in einem Bericht der Zeitschrift «The New Yorker» Weinstein sexuelle Übergriffe vor. Der neue Film «She Said» der deutschen Regisseurin Maria Schrader dreht sich um ebendiese Enthüllung des Weinstein-Skandals durch zwei Journalistinnen der «New York Times».

Weltweit sahen Betroffene eigene Erlebnisse in denen der mutmasslichen Weinstein-Opfer wieder. Unter dem Schlagwort «Me too» («Ich auch») fanden sie öffentlich Gehör – mit Folgen für weitere einflussreiche Leute, die angeprangert, gefeuert oder angeklagt wurden. Seit 2017 haben mehr als 80 Frauen Weinstein öffentlich sexuelle Übergriffe vorgeworfen.

Weinstein wurde daraufhin im Jahr 2020 zu 23 Jahren Haft wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung verurteilt. In einem weiteren Strafprozess in Los Angeles kamen 16 Jahre Gefängnis dazu. Nach Angaben der Zeitung «New York Times» muss nun Manhattans Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg entscheiden, ob er ein neues Verfahren gegen Weinstein einleitet.

Mit dem aktuellen Urteil schon zum zweiten Mal ein Meilenstein der MeToo-Bewegung umgedreht worden. Bereits 2021 wurde eine Verurteilung gegen Bill Cosby aufgehoben. Gegen Cosby laufen aber noch Verfahren wegen sexueller Gewalt.

Einschätzung von USA-Korrespondentin Viviane Manz

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In der Öffentlichkeit wird das neue Urteil die Meinung über Harvey Weinstein kaum ändern. Über 80 Frauen haben von sexuellen Übergriffen berichtet.

Doch es ist ein Rückschlag für die Me-too-Bewegung, die hoffte, dass solche Fälle auch zunehmend strafrechtlich Konsequenzen haben.

Nur wenige Vorwürfe gegen Weinstein kamen überhaupt vor Gericht. Manche waren verjährt, manche zu gering und manche wurden mit Vergleichen erledigt. Die Anklage in New York hatte zu einer umstrittenen Strategie gegriffen, um einen Schuldspruch zu erreichen.

Nun hat das höchste Gericht in New York entschieden, dass Weinstein dabei keinen fairen Prozess erhalten hat, allerdings nur mit einer knappen Mehrheit von 4 zu 3, das heisst, auch die höchsten Richterinnen und Richter waren sich nicht einig.

Das Urteil zeigt: Es geht um viel für mutmassliche Opfer und beschuldigte Täter, und gleichzeitig bleiben solche Situationen, wo nur zwei Personen anwesend waren, strafrechtlich nach wie vor schwierig zu beurteilen.

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SRF 4 News, 25.04.2024, 16:00 Uhr ; 

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